Walschutz vor Sylt- Nichts hören, nichts sagen, nichts sehen?

 

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v.Links:Lothar Koch,Roland Klockenhoff, Andreas Tietze,Norbert Grimm

Naturschutzverbände fordern zum Artenschutz-Event der Grünen mehr Engagement und Information für Sylter Schweinswale von Bund und Land

 

 

Während im FFH-Schutzgebiet „Sylter Aussenriff“, rund  32 km nordwestlich der Insel, auf der Baustelle des Windparks Butendiek die Rammarbeiten mit Getöse weiter gehen, sorgen sich die Schutzstation Wattenmeer, die Naturschutzgemeinschaft Sylt und das Erlebniszentrum Naturgewalten Sylt, um besseren Schutz und mehr Information für die bedrohten Meeressäuger und Seevögel im Weltnaturerbe.

Obwohl seit März 2014 ein Firmenkonsortium in Sichtweite der Insel über 80 Rotoren von mindestens 150 m Höhe in den Meeresboden hämmert, gibt es auf Sylt keine umfassenden Informationen über das naturgefährdende Potential dieser Mega-Baumassnahme.

Auf Sylt weiss niemand Genaues, aber Mutmassungen gibt es viele: Z.B., dass weniger Schweinswal-Mutter-Kalb-Gruppen dieses Frühjahr vor dem Weststrand auftauchen, als in den Vorjahren. Um das wissenschaftlich abzuklopfen, müssten Walzählungen der vergangenen Jahre mit aktuellen Erhebungen verglichen werden. Inwieweit das seitens der Naturschutzämter verlässlich geschieht, ist auf Sylt nicht bekannt.

„Wir sind verunsichert und fordern mehr Transparenz und aktuelle Bürgerinformation von den Betreibern und den zuständigen Bundesämtern zu den Auswirkungen des Windparks auf die Meeresumwelt, sagt Dr. Roland Klockenhoff (Naturschutzge-meinschaft Sylt) im Gespräch mit dem Grünen Landtagsabgeordneten  Dr. Andreas Tietze.

Lothar Koch, Walexperte der Schutzstation Wattenmeer, mahnt an, daß auch die Landesregierung ihr Informationspotential hinsichtlich der bedrohten Tierarten im Weltnaturerbe Wattenmeer nicht optimal erfüllt.

„Das Walschutzgebiet wird auf Sylt seit 14 Jahren gut vor der Öffentlichkeit versteckt“ so Koch.  Bisher sind, trotz jahrelangen Bittens der Verbände und Sylter Gemeinden,  keinerlei attraktive Informationseinrichtungen zum Wal-und Meeresvogelschutz auf die viel frequentierten Promenaden und Strandübergänge der Insel  platziert worden. „Schleswig-Holstein verschenkt damit ohne Not eine optimale Möglichkeit, Millionen von Besuchern über Sinn und Zweck des ersten europäischen Walschutzgebietes im Weltnaturerbe zu informieren“, so der Biologe.

Dr. Matthias Strasser vom Zentrum für Naturgewalten Sylt erläutert: „Die Ausweisung von Schutzgebieten ist ein wichtiger Schritt, um den Lebensraum der Kleinwale zu sichern. Dieses sollte auch mit strategischen Inhalten gefüllt werden, wie beispielsweise durch die Aufstellung von naturschutzfachlichen Management- und Monitoringplänen für die kommenden Jahre.“!
Alle drei Verbände fordern zum Walschutzgebiet weitere flankierende Artenschutzmassnahmen, denn „weder Schallwellen, noch Wale halten sich an die offiziellen Gebietsgrenzen“.

Für die Verbände:

Naturschutzgemeinschaft Sylt, Schutzstation Wattenmeer und das Erlebniszentrum Naturgewalten Sylt

 


Pressetermin auf Sylt am 4.7.2014

Anlässlich des Artenschutz-Events der Grünen Landtagsfraktion/
Besuch von Landtagsabgeordnetem Dr. Andreas Tietze auf Sylt

Walschutz vor Sylt- Nichts hören, nichts sagen, nichts sehen?
Sylter Naturschutzverbände fordern zum Artenschutz-Event der Grünen mehr Engagement und Information für Sylter Schweinswale von Bund und Land.

Dr. Roland Klockenhoff /Naturschutzgemeinschaft Sylt), Dr. Matthias Strasser (Zentrum für Naturgewalten Sylt) und Dipl.Biol. Lothar Koch (Schutzstation Wattenmeer) informieren im Gespräch mit Dr. Andreas Tietze zum
Thema „Schweinswalschutz im Walschutzgebiet“ – Stärken und Schwächen des großen marinen Schutzgebietes im Weltnaturerbe vor unserer Insel.

Treffpunkt:
15 Uhr, am Freitag den 4.7.2014
Fototermin am Nordseeschutzdenkmal auf der Promenade Westerland vor der Kurmuschel, Gespräch ebenda, oder ggf.im Restaurant „Luzifer“, unmittelbar dahinter.
Für die Verbände:
Naturschutzgemeinschaft Sylt, Schutzstation Wattenmeer und das Zentrum für Naturgewalten
mit freundlichen Grüssen,
Lothar Koch, Schutzstation Wattenmeer
info@natuerlichsylt.net, 04651/201088

Ent-täuschung am Horizont: Windpark ist sichtbar.

Nach weit über einem Jahrzehnt der Mutmassungen hat „Butendiek“ jetzt Fakten geschaffen. Von Westerland aus ist in 32 km Entfernung deutlich der schwimmende Baukran der Bremer Konstruktionsfirma am Horizont zu sehen. Und der ist „nur“ 82 Meter hoch. Das Endprodukt, der Windpark mit 80 Mühlen besteht aus Rotoren, die rund 200 m weit ins Firmament ragen werden, also noch knapp 50 m höher als der Kölner Dom (157 m). Dabei lieben doch Sylter und ihre Gäste so sehr den freien Blick der Friesen über das weite, weite Meer: „Rüm Hart, klar Kimmung“ ist der insulare Schlachtruf seit Alters her und bedeutet etwa: Weites Herz, klarer Horizont.

Damit ist es jetzt zumindest bei klaren Tagen und in Richtung Nordwesten vorbei. Doch wer jetzt enttäuscht ist sollte sich folgendes verdeutlichen. Die Naturlandschaft Nordsee ist schon längst zu einem Industriegebiet geworden. Hunderte von Ölplattformen stehen darin herum, Zig-Tausende von Kubikmetern Sand werden jährlich aus ihr für das Baugewerbe geschürft, die Fischerei durchpflügt statistisch pro Jahr drei Mal jeden Quadratmeter Nordseeboden mit Fanggeschirr, das Militär probt in und über ihr und aus unzähligen Quellen werden nach wie vor eine Menge Nähr-und Schadstoffe in sie hineingepumpt. Ganz zu Schweigen von der Schiffahrt, die dort immer noch Substanzen verklappen darf und mit schwer abbaubarem Bunker-C Öl ihre Schiffsdiesel betreibt. Da gehört die Erzeugung von Ökostrom zu den eher harmloseren Produkten auf See.

Die Idylle am Sylter Strand war also schon immer eine verklärte Sicht von Romantikern und Urlaubern, die viel für diesen freien Seeblick zahlen. Nun werden wir alle durch die Fakten in Stahlbeton ent-täuscht. Wie schön, denn wer will schon in Täuschung leben.

Die Urbanisierung findet eben nicht nur auf, sondern auch rund um die Insel statt, wie auch die Muschelzuchtanlagen im Industriestil vor dem Hörnumer Hafen zeigen.

Da der Windpark im Bau ist und nicht mehr verhindert werden kann, kann man sich nur weiter für die Naturverträglichkeit der Bau-und Betriebszeit einsetzen. Das ist wichtig für die Schweinswale, Seehunde, Kegelrobben und viele andere Tiere die hier im Walschutzgebiet zu Hause sind. Hoffentlich lassen sie sich durch den erheblichen Baulärm unter Wasser nicht aus der Region vertreiben!

Gottlob gelang es uns in 1999, gegen zahlreiche Stimmen auf der Insel, das Walschutzgebiet durchzusetzen. Sonst wäre die Butendiek-Baustelle jetzt wohl eher nahe der 3 Sm als  der 12 Seemeilenzone und damit voll im Blickfeld der Strandgänger.

Lothar Koch

Glasperlenspiel und Wunderwelle

Wer derzeit am Sylter Weststrand wandert, kann sich am schimmernden Glasperlenspiel Seestachelbeerenauf dem Sand erfreuen. Tausende von kleinen, beerengrossen „Glaskugeln“ übersähen stellenweise den Spülsaum. Je nach Sonnenstand glitzert und funkelt es, besonders in den frühen Morgen- und späten Abendstunden, weil das Licht dann am besten durch die durchsichtigen Kugeln fällt. Es handelt sich dabei um Rippenquallen, die wegen ihrer Form auch Seestachelbeeren genannt werden. Die völlig harmlosen Glibber-Geschöpfe entfalten ihre volle Schönheit, wenn man sie in einem Salzwasseraquarium bewundern kann. Das ist meist in der Schutzstation Wattenmeer Hörnum, oder im Zentrum für Naturgewalten List möglich, oder auch in einem selbstmitgebrachten Einmachglas. Rippenquallen nutzen zwei längere Klebtentakeln, um Beute zu machen, also keine Nesselfäden, wie ihre eher unbeliebte Verwandtschaft. Die kugelrunden und Rippenqualleglasklaren Körper werden von irisierenden Flimmerhäärchenreihen gesäumt, mit denen die Tiere gemächlich als Großplankton durch die Wassersäule schweben. Anders als die viel grösseren Scheibenquallen (Medusen) entwickeln diese sich direkt aus im Wasser schwebenden Eiern und nicht aus festsitzenden Bodenpolypen. Jetzt im späten Frühjahr erreicht das Vorkommen der Rippenquallen hier seinen Höhepunkt. Schliesslich konnten sich die Tiere in den letzten Wochen am reichlich vorhandenen Mikroplankton laben, welches sich Dank Licht und Nährstoffen im Überfluss explosionsartig vermehren konnte („Algenblüte“). Aber die „Algenblüte“ verbraucht halt auch viel der vom Winter angesammelten Nährstoffe, sodass ab Juni wieder mit klarerem Badewasser gerechnet werden kann.

Nicht selten verspeisen die eleganten Rippenquallen auch Microplankton, das über einen Enzymprozess Kaltlicht erzeugen kann. Das  mikroskopisch kleine Meeres-Leuchten-Tierchen (Noctiluca scintillans) ist dieses Jahr besonders frühzeitig in so ausreichenden Dichten vorhanden, dass nächtliche Spaziergänger schon das Glück hatten, von funkelnden „Wunderwellen“ überrascht zu werden. Zu dem Abstrahlen des neonfarbenen Kaltlichtes kommt es, wenn die Panzergeisseltierchen durch Wellen- oder Schwimmbewegungen angeregt werden.

Wenn Rippenquallen genug von Noctiluca aufgefuttert haben funktioniert dieser Enzymprozess auch noch eine Weile nach dem Einverleiben. Die „Glasperlen“ funkeln dann sogar auch Nachts.

Seehundsituation im Wattenmeer-bitte nicht verschlimmbessern!

Alle Jahre wieder flammt an der Westküste Schleswig-Holsteins eine Diskussion um den richtigen Umgang mit

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Seehunden auf. Mal sind es die Fischer (meist die Dänen) die vehement eine Bejagung der sympathischen Meeressäuger fordern, dann sind es wieder, wie im aktuellen Fall, Tierschützer (meist holländische Institutionen, die über deutsche Organisationen oder Einzelpersonen), die Rettungsaktionen für jeden greifbare Robbe fordern.

Um das Thema zu versachlichen, bitte ich um Aufmerksamkeit für die folgenden Zeilen:

 

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Statistik desTrilateralen Wattenmeersekretariats (NL;D;DK): Seehund-Bestandzählungen im internationalen Wattenmeer

Die groben,wissenschaftlichen Fakten:
Es gibt keine deutschen, dänischen, holländischen Seehunde, sondern eine zusammengehörige, internationale Wattenmeerpopulation zwischen Den Helder und Esbjerg. Für vor anno 1900 wird der Gesamtbestand auf rund 37 000 Tiere in diesem Gebiet geschätzt. Im Jahr 2013 wurden genau 26788 Seehunde hier gezählt. Addiert man statistisch ermittelte Korrekturfaktoren, kommen Wissenschaftler für 2013 auf einen Maximalbestand von 39 400 Seehunde, also etwa so viele, wie vor 1900.

Demgegenüber betrug der im Jahr 1974 gezählte, internationale Bestand nur ca. 4800 Seehunde. Damals Grund genug, die Jagd auf Seehunde gesetzlich auszusetzen, bevor der Bestand unter dem Jagddruck zusammenzubrechen drohte. Diese Schonzeit gilt aus Artenschutzgründen bis heute. Im Jahre 1988 und 2004 gab es zwei spektakuläre Seuchenzüge der Seehundstaupe durch den Bestand (etwa bei einem Menge von rund 12 000 bzw. 21000 Seehunden) die kurzfristig die Zahlen deutlich schrumpfen liessen (s. Diagramm).

Fazit: Es wird deutlich, dass wir im internationalen Wattenmeer derzeit einen relativ natürlichen, grossen Bestand haben, der offenbar der Kapazität dieses Lebensraumes entspricht ( geht man davon aus, dass vor 1900 noch kein sehr grosser Jagddruck herrschte, andernfalls wäre sogar noch Platz für mehr Seehunde). Zweck des Nationalparkes ist es, die natürlichen Bestände zu erlauben und zu erhalten. Dies gelingt offenbar mit der seit 1991umgesetzten, trilateralen Managementstrategie.

Die Diskussion (vereinfacht):

Was sagen die Fischer?
Fischereikreise bringen immer wieder das Argument, der Seehundbestand sei zu groß und liesse zu wenig Fisch für die Fischer über.

Gegenargument: Die Auswirkungen der Seehunde auf die Fischerei sind gering einzuschätzen: Nur ein Viertel ihrer Beute sind fischereilich interessante Arten. Fische über 20 Zentimeter Länge – also in einer Größe, wie sie von Fischern angelandet werden – machen nur 1 Prozent der Seehundnahrung aus. Ein ökologisches Grundgesetzt besagt, dass nicht der Räuber die Beute, sondern die Beute den Bestand des Räubers bestimmt. Gäbe es zu wenig Fisch im Wattenmeer, würde also der Seehundbestand automatisch schrumpfen.

Was sagen die Tierschützer?
Jede Robbe, die am Strand angetroffen wird und Anzeichen von Schwäche zeigt, sollte aus ethischen Gründen geborgen und in einer Aufzuchtstation aufgepäppelt werden. Mit heutiger Tiermedizin und Medikamenten kann fast jede Robbe gerettet werden.

Gegenargument
Die Haltung der Tierschützer ist ehrenwert, aber nur sinnvoll bei stark gefährdeten Beständen, wo jedes Individuum, welches erhalten werden kann, wichtig für den Arterhalt ist. Diese Situation ist bei Seehunden schon lange nicht mehr gegeben. Bei der heutigen Bestandsgrösse, ist es eher riskant, mit Medikamenten aufgepäppelte Tiere in einen Wildbestand zu entlassen, da das natürliche Regulationsgleichgewicht des Bestandes durch Einschleppung von Krankheitserregern und halbdomestizierten Verhaltensweisen geschwächt werden kann. Was ethisch korrekt für das Individuum sein mag, kann gefährlich für den Gesamtbestand der Art werden.

Was sagen die Jäger und viele Einheimische?
Es gibt viel zu viele Seehunde, weil keine natürlichen Feinde mehr da sind. Wenn die Robben nicht bald bejagt werden, gibt es wieder eine Seehundseuche und das schadet unserem Küsten-Image.

Gegenargument: Die bisherigen Seuchen brachen bei weitaus geringeren Bestandszahlen aus. Seehunde liegen stets eng beieinander auf den Ruhebänken, egal wieviel Platz sie haben. Es besteht also kein Platzmangel. Sollte die Kapazität des Lebensraumes für den Gesamtbestand erreicht werden (Nahrungs-/Platzmangel) regelt das ein Säugetierbestand durch Drosselung der Geburtenrate oder Auslese (meist Parasitenbefall schwacher Tiere). Top-Prädatoren, wie Orcas, spielten noch nie eine Rolle bei der Regulierung des natürlichen Wattenmeerbestandes.

Was sagen die Seehundjäger
Es ist besser die Tiere vom Leiden durch einen Fangschuss zu erlösen, als jeden Seehund in die Aufzuchtstation zu bringen. Der Erhalt des Individuums ist zur Zeit für den Gesamtbestand unerheblich. Durch langjährige Erfahrung können wir den Gesundheitszustand einer Robbe gut an äusseren Faktoren beurteilen und eine Entscheidung ohne Tierarzt treffen.

Was sagen die touristischen Gemeinden?
Wir können es uns nicht erlauben, dass täglich irgendwo am Strand ein kranker Seehund verendet. Die Urlauber sind verunsichert, das schadet unserem Image als Fremdenverkehrsgemeinde. Deshalb wollen wir, dass die tote und kranke Tiere schnell vom Strand verschwinden.

Was sagen Naturschützer? (zu denen ich mich zähle)
Wichtig ist es, die natürliche Entwicklung des Bestandes zu gewährleisten. Deswegen sollte weder von Tierschützern noch von Jägern und Fischern nennenswert in den Bestand eingegriffen werden. Wenn Seehunde an Stränden rasten wollen, sollte man ihnen das mit flexiblen Ruhezonen ermöglichen und Störungen fern halten. Offensichtlich kranke Tiere sollten nach Einschätzung erfahrener Seehundjäger fachgerecht getötet werden, wenn dies aus ethischen Gründen vertretbar ist.

Flexible Ruhezone für Kegelrobben in Hörnum

Der Autor mit einem Schild zur Robbenruhezone. Bei rastenden Wildtieren bitte 200 m Abstand halten!

Die Einlieferung in Aufzuchtstationen sollte die Ausnahme bleiben.

Jetzt freue ich mich über Ihre Meinung!

Lothar Koch