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Wieviele Betten, wieviele Menschen sind täglich auf Sylt? Ruf nach präziser Statistik wird lauter.

Noch ein Gutes hat die Coronakrise: wir haben uns alle, mehr als zuvor, mit Statistiken beschäftigt. 

Dazu haben wir von Lothar Wieler aus dem Robert Koch Institut einiges  gelernt: Man muss nicht alles so genau nehmen und kann auch mal Äpfel mit Birnen vergleichen- dann kann Statistik Jede/r.

Ich habe gleich mal mein Glück mit der Sylter Gäste- und Bettenstatistik versucht.

Also… von der EVS, dem  Haupt- Wasserversorger der Insel, haben wir aus dem März 2018 folgende Aussage gegenüber der Naturschutzgemeinschaft Sylt zum insularen Wasserverbrauch an Spitzentagen vorliegen: Man schätze damals die Zahl der Sylter Verbraucher für Tage, wenn die Insel knallvoll ist, auf  auf rund 230 000 Menschen (207500 allein von EVS gemessen, Rest geschätzt für den Bereich der Norddörfer VEN).

Brutal! Dabei hatte doch die Landesregierung in den Siebziger Jahren schon die Kapazitätsgrenze der Insel auf 100 000 Menschen beziffert!

Die Veröffentlichung dieser ungeheure Zahl hat dann wohl die amtlichen Wasserableser bzw. gewisse Interessengruppen auf der Insel  so umgehauen, dass die EVS  flugs einen Rückzieher machte und zum Jahreswechsel 2019  ihre Aussage auf bummelig 132000 Verbraucher (ohne VEN) runterschraubte.

Jetzt beginnt die Statistik spannend zu werden.

Einigen wir uns, mangels verlässlicher Angaben der gemeindeeigenen EVS, auf den Mittelweg von über den Daumen gepeilt 150 000 Verbrauchern/Tag.

Ziehen wir nun von der mutmasslichen Verbraucherzahl diejenigen ab, die wohl kaum auf Sylt in Gästebetten übernachten: Rund 4000 Pendler und geschätzt 5000 Tagesgäste, 17 000 Einwohner und ca. 15 000 Zweitwohnsitzer. Sind zusammen 41000 Menschen, die nicht in Fremdenbetten übernachten und daher von der Bettenstatistik abgezogen werden könnten (da sind in der Rechnung viele Unbekannte, denn wer weiss schon, ausser der EVS und VEN, vielviel Wasser Pendler und Tagesgäste verbrauchen?).Es bleiben mindestens 109000  Menschen, die als echte Feriengäste an Spitzentagen gleichzeitig auf der Insel sein müssten.

Nun haben wir aber nur 62 000 Fremdenbetten, so die offizielle Zahl der Sylt Marketing Agentur. Aber Hallo! Das würde ja bedeuten, dass in fast jedem Fremdenbett zwei Leute zu liegen kämen, wenn alle einen Schlafplatz haben wollten.

Die Wahrscheinlichkeit, dass doch weit mehr Betten existieren ist nicht gering und würde heissen, dass den Gemeinden viel Einnahmen entgehen, da doch die Kurtaxe quasi pro Bett erhoben wird.

Um diese Berechnung mit sicheren Daten und Fakten durchzuführen, braucht es wohl endlich eine gute, ehrliche Recherche seitens aller Inselgemeinden. Die Gelegenheit ist günstig, da wir ja Corona-bedingt, gerade die verschiedenen Gruppen (Pendler, Zweitwohnungsbesitzer, Tagesgäste, Restgäste) schön säuberlich getrennt haben einreisen lassen. Das müsste ja jetzt ziemlich genau am Wasserverbrauch ablesbar sein. Schliesslich geht nichts über eine gesicherte Datengrundlage, wenn man die wirtschaftlichen und ökologischen Probleme in Zukunft wuppen will, die eine Pandemie und ein Klimawandel mit sich bringen.

Lothar Koch

(nein, nicht vom Robert Wieler Institut)

Mit dem NaturReporter Sylt auf Nordtour

Die Insel kommt im Februar kalt und stürmisch rüber. Dennoch hat sich vorige Woche ein TV Team des NDR auf den Weg gemacht um einen Beitrag mit dem NaturReporter auf Sylt zu drehen:

Ruft den Ökosystem Notfall aus!

von Will Marshall – übersetzt von Lothar Koch

Statt „Klimanotstand“ wäre es angemessener von einem Ökosystem-Notfall zu sprechen.

  • Warum ich die Prinzipien und den Ansatz von Extinction Rebellion unterstütze –

Mea culpa, liebe Leute. Nachhaltigkeit liegt mir sehr am Herzen, aber ich muss ich ein Geständnis ablegen: Ich habe statt „Nachhaltigkeit“, „Umwelt“, „Natur“, Artenvielfal“,“Ökosystem“ und anderen Begriffen in meinen Texten am häufigsten das Wort „Klimawandel“ benutzt, um damit alle Themen auf einmal zu umschreiben. Mir war jedoch nicht genau klar, wo wir uns inzwischen mit unserem Planeten in Bezug auf Umwelt befinden.

Auch auf Sylt stark gefährdet: Uferschnepfe

Im Vorfeld des UN-Klimagipfels in New York vor ein paar Wochen habe ich einige Daten und Berichte gelesen und bin zu zwei verdammten Erkenntnissen gekommen, die ich wichtig finde zu teilen:

Der Verlust von Ökosystemen hat in so katastrophalem Ausmaß bereits stattgefunden, dass Reaktionen wie für Notfälle gerechtfertigt sind. Es ist keine Zukunftsfrage mehr: Es ist passiert und es passiert gerade JETZT!.
Ein weit verbreitetes Missverständnis verschleiert, dass der Verlust von Ökosystemen kein Zukunftsthema ist. Das ist teilweise durch die Fokussierung auf den Klimawandel geschehen, dessen Auswirkungen in der Regel erst in den kommenden Jahrzehnten erwartet werden. Wir hören Dinge wie: „bis 2050 werden extreme Wetterereignisse häufiger, dass es einmal im Jahrhundert zu Überschwemmungen kommt“ oder „im Jahr 2100 wird der Meeresspiegel so weit ansteigen, dass wir XX% aller Inseln verlieren“. Dies lenkt davon ab, dass in Bezug auf den Verlust von Ökosystemen bereits viel passiert ist und täglich passiert.

Homo Sapiens hat schon lange andere Arten auf der Erde heimgesucht und viele Arten der Megafauna ausgelöscht, zum Beispiel als wir neue Kontinente besiedelten. Aber die postindustriellen Zerstörungsraten sind wirklich drastisch und im Unterschied zu damals sind wir uns heute der zerstörerischen Auswirkungen bewusst, die wir anrichten. Dies ist der Grund, warum die Botschaft von Extinction Rebellion für mich zutreffend klingt.

Ursache weltweiten Artensterbens (WWF/The Guardian)

Lasst uns einige Fakten auf den Tisch bringen. Ich habe viele der Berichte aus dem Jahr 2019 gelesen: den IPCC-Bericht der Vereinten Nationen, in dem die Beschleunigung des Abschmelzens von Gletschern beschrieben wird; Der WMO-Bericht 2019 beschreibt den Anstieg des Meeresspiegels („seit 1993 steigt der Meeresspiegel… um 3,2 mm pro Jahr… von 2014 bis 2019 stieg er auf 5 mm pro Jahr“) und den Temperaturanstieg („seit 1850 stiegen die globalen Temperaturen um 1,1 ° C“) … aber zwischen 2011 und 2015 um 0,2 ° C ”); Der UNEP-Bericht bewertet die Fortschritte bei der Erreichung der globalen Umweltziele und stellt fest, dass wir nicht einmal 68% davon kontrollieren können. Der Vogelbericht zeigt, dass wir seit 1970 in Nordamerika 3 Milliarden Vögel verloren haben (30%). und viele andere Arten. Alles lesenswert.

Keiner war jedoch schädlicher als der im Mai veröffentlichte Bericht der Vereinten Nationen über die biologische Vielfalt (IPBES). Schlagzeilen machte, dass ca. 1 Million Arten – ca. 25% aller Arten – vom Aussterben bedroht sind. Aber während diese Nachrichten in die Zukunft schauten, waren die Daten zur jüngsten Vergangenheit darin das, was mich weit mehr beunruhigte. Es wurde deutlich, dass wir seit 1980 Folgendes registrieren:

  • Die globale Biomasse wildlebender Säugetiere ist um 82% gesunken.
    – Die natürlichen Ökosysteme nahmen im Vergleich zu ihren frühesten Schätzungen im Durchschnitt um 47% ab
    – Die lebende Korallenbedeckung an Riffen hat sich fast halbiert (diesmal in den letzten 150 Jahren).
    – Einem entsprechenden Bericht des World Wildlife Fund aus dem Jahr 2014 zufolge ist die Zahl der auf dem Land lebenden Tiere um 40% zurückgegangen, ebenso wie die Zahl der Tiere in Meeresökosystemen. Tiere in Süßwasserökosystemen sind um 75% zurückgegangen.
  • Bei näherer Betrachtung einer Reihe von Arten wurde ähnlich wie im UN-Bericht festgestellt, dass die Hauptfaktoren nicht das Klima, sondern der Verlust und die Ausbeutung von Lebensräumen waren.


Was? Lassen Sie uns das noch einmal verdauen. 82% der Wildtier-Masse schon weg? 50% der lebenden Korallen sind bereits verschwunden? 75% der Süßwasserökosysteme verschwunden? Nicht in irgendeiner hypothetischen Zukunft, sondern schon weg? Heilige Scheiße.

Darüber hinaus tilgen wir heute täglich weitere 150–200 Arten von der weltweiten Liste. Dies ist das Zehn- bis Hundertfache des natürlichen Hintergrundaussterbens, sodass 90–99% davon direkt auf menschliches Handeln zurückzuführen ist. Das sind 13–18% aller Arten, die wir in modernen Zeiten jedes Jahrzehnt verloren haben. Es braucht kein Genie, um zu erkennen, dass wir nicht mehr all zu viel Zeit haben, bis die meisten Arten verloren sein werden.

Dies ist ein kolossaler planetarischer Notfall.

Wir müssen unseren Schwerpunkt vom Thema Klimawandel auf den Ökosystemnotstand verlagern.

Ein zweites Problem ist unser Fokus auf den Klimawandel. Der Großteil des öffentlichen Diskurses über Nachhaltigkeit konzentriert sich darauf als Hauptthema. Das ist aus drei Gründen schlampig. Erstens ist es nicht das Klima an sich, das uns am Herzen liegt, sondern die Auswirkungen, die es auf das Leben (uns Menschen und andere Arten) hat. Die Erde hat unzählige Klimaveränderungen durchlaufen, und die Mischung aus Gasen und Temperaturen an sich interessiert uns nicht. Klima ist uns nur insofern wichtig, als es sich negativ auf das Leben auswirkt. Obwohl diese Argumentation völlig offensichtlich ist, wird das Klima häufig verwirrend als Endpunkt eingesetzt, was Diskussionen verzerren und den Handlungsfokus verlagern kann.

Die ethische Katastrophe unserer Zeit ist der Verlust der biologischen Vielfalt und die Zerstörung des Ökosystems. In einfachen Worten ausgedrückt: Die Dezimierung oder das Aussterben der Anzahl von Tieren und der Anzahl der Arten. Menschen zerstören die Pflanzen, Tiere und Ökosysteme, die für das Leben auf der Erde notwendig sind.

Das größte Problem ist wohl das Letzte. Obwohl es heutzutage Routine ist, dass nicht-menschliches Leben in praktischen Überlegungen ein Gewicht von Null hat, ist es schwierig, so zu tun, als wäre dies nicht eine ethische Herausforderung von größtem Ausmaß.

Zweitens, und was noch wichtiger ist: das Klima ist einfach nicht der dominierende Faktor, der zum Verlust von Ökosystemen beiträgt. Es könnte mit der Zeit dominant werden und verdient daher mit Sicherheit unsere ernsthafte Aufmerksamkeit. Es ist kein Scherz, den die Chinesen erfunden haben, um den Westen dazu zu bringen, sein Wachstum einzudämmen. Es ist sehr ernst. Wie der Gouverneur von Kalifornien, Gavin Newsom, letzte Woche sagte, wenn Sie nicht an den Klimawandel glauben, kommen Sie einfach und verbringen Sie eine Woche in Kalifornien – erleben Sie die Folgen: extreme Waldbrände mit 180 000 Evakuierten.

Klimawandel ist jedoch nicht der dominierende Faktor für die Dezimierung von Wildtieren. Aktuell ist es „nur“ der drittwichtigste Faktor. Die fünf Haupttreiber des Klimawandels laut IPBES-Bericht sind in der Reihenfolge:

(1) Änderungen der Land- und Seenutzung;
(2) direkte Ausbeutung von Organismen;
(3) Klimawandel;
(4) Verschmutzung und
(5) invasive gebietsfremde Arten.

Das Klima wird wahrscheinlich ein zunehmender Treiber für den Verlust der biologischen Vielfalt sein – daher ist es wichtig, dass wir daran arbeiten, ihn umzukehren -, aber die ersten beiden Faktoren verdienen noch größere Aufmerksamkeit.

Drittens ist der Verlust der Ökosysteme bereits eingetreten – keine Zukunftsfrage. Wenn man sich auf das Klima konzentriert, neigt man dazu zu glauben, dass Umweltbelange in Zukunft verbessert werden können. Wenn man sich auf den Verlust von Ökosystemen konzentriert, ist die Notwendigkeit sofortiger Maßnahmen viel offensichtlicher und zwingender.

Daher ist es entscheidend, vom Klimawandel auf einen ökosystemaren Diskurs überzugehen.

Sprechen wir über Ethik.

Es gibt drei große moralische Fehler unserer Zeit, die größtenteils unsichtbar und unausgesprochen sind:

  • Nationale Diskriminierung – wir halten es für in Ordnung, Menschen aufgrund ihres Geburtsortes zu diskriminieren.
  • zukünftige Generationen – in unserer gegenwärtigen ethischen Rechnung wird zukünftigen Generationen typischerweise ein Wert von Null zugeschrieben; und
  • andere Arten – in ähnlicher Weise wird in unserem gegenwärtigen ethischen Kalkül typischerweise anderen Arten ein Wert von Null zugeschrieben.

    Das Schlimmste ist wohl das Letzte. Obwohl es heutzutage Routine ist, dass nicht-menschliches Leben in praktischen Überlegungen kein Gewicht hat, ist es schwierig, dies nicht als ethische Herausforderung von größtem Ausmaß zu betrachten.

Warum Extinction Rebellion (XR) richtig ist

Aus diesen Gründen unterstütze ich von ganzem Herzen die Prinzipien und den Ansatz, die wir bisher bei den Bemühungen von XR gesehen haben. die einfache, ruhige, wahrheitsgemäße Sprache, die wir von Greta Thunberg gehört haben.

  • Sie haben das Recht, das Thema Aussterben umzubenennen – das ist das Wichtigste (obwohl ich die Dezimierung des Ökosystems als breitere Kategorie hinzufügen würde).
  • Sie sagen zu Recht, dass dies ein Notfall ist – wir haben ungefähr die Hälfte der Tiere auf der Erde vernichtet und töten 150–200 Arten / Tag; und
  • Sie haben Recht zu rebellieren, indem sie auf die Straße gehen und eine gandhi-artige, friedliche Nichtzusammenarbeit mit Unternehmen und dem Staat zu betreiben, bis wir Veränderungen sehen, denn das ist die moralische Sache, die zu tun ist.
    Stehen wir geschlossen hinter ihnen.

von Will Marshall, übersetzt von Lothar Koch

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Will Marshall is Co-founder & CEO of Planet — launching fleets of satellites to image the whole Earth daily. Worked on lunar missions at NASA; Ph.D. in quantum physics.

Was passiert mit Sylt im Klimawandel?

Klima-Demo 20.9.2019 in Westerland

…und wieso behindert der Spinateffekt den Politikwandel?

Nach dem Ende der letzten Eiszeit vor rund 12000 Jahren stieg der Meeresspiegel rapide meterweise wieder an, aber nachdem die großen Gletschermassen abgeschmolzen waren, waren es in den letzten 6000 Jahren im Mittel nur noch um 1 mm pro Jahr weiterer Meeresspiegelanstieg, im letzten Jahrhundert  dann um 2 mm und in den letzten 25 Jahren im Mittel um 3 mm bei steigender Tendenz. Derzeit sind es 3,6 mm pro Jahr.

Dieser moderne, beschleunigte Meeresanstieg ist vorwiegend die Folge bisheriger Treibhausgasemissionen durch den Menschen. Die weitere Verbrennung fossiler Kohlenstoffe wird noch über Jahrtausende den Meeresanstieg antreiben. Nicht nur das Schmelzen von Landeis, sondern auch ein Abrutschen polarer Eismassen ins Meer ist in die Berechnungen einzubeziehen. Wann wie viel Eis ins Rutschen gerät, ist kaum berechenbar. „Langfristige Projektionen zum Meeresspiegel sind zwar sicher in Richtung und Höhe, aber nicht in Bezug darauf, wie langsam oder schnell der Anstieg kommt.“, sagt der Sylter Küstenexperte Prof. Dr. Karsten Reise in seinem Buch „Kurswechsel Küste“.

Sylt muss bereits seit Jahrzehnten permanent Küstenschutz betreiben, um die Orte des Bädertourismus, die um 1900 nahe des Strandes angelegt wurden, vor dem Abtrag zu schützen.Zwischen 1972 und 2020 wurden der Insel rund 60 Millionen qm Sand im Wert von rund 235 Millionen Euro vorgespült. Seit 2019 wird die Uferschutzmauer vor Westerland mit Beton für rund 1,5 Millionen Euro pro Jahr verstärkt.  

Der Umweltminister des Landes Schleswig-Holstein stellte 2019 klar, dass man die Folgen des Klimawandels auf Sylt bedenken müsse. Je weiter dieser fortschreite, desto schwieriger werde es, Maßnahmen zu ergreifen, da die Kosten  ins Unermessliche steigen könnten und  möglicherweise seitens des Bundes und des Landes nicht mehr zu bewältigen  seien.

Prof. Karen Wiltshire, die stellvertretende Direktorin des Alfred-Wegener-Instituts und Direktorin der Sylter Forschungsstelle Wattenmeer erklärt: „Kein Meer hat sich so verändert wie die Nordsee. Wir messen, dass sie sich doppelt so schnell aufheizt wie die globalen Ozeane“. Erwärmung bedeutet auch Ausdehnung des Wasserkörpers und damit Meeresspiegelanstieg. Wenn der Meeresspiegel weiter ansteigt „säuft“ das Watt ab.  Wenn bei Ebbe keine Flächen mehr trocken fallen, kollabiert das ganze Ökosystem des Welterbe Wattenmeers, wie wir es heute kennen, vor allem in seiner Funktion  als Drehscheibe des Vogelzuges.

Nach vorliegenden „Big-Data“-Computer-Modellen wird sich die Temperatur weiter deutlich erhöhen, und der Meeresspiegel bis zum Ende des Jahrhunderts um 1,2 Meter steigen. Die Insel Sylt wird dadurch sehr wahrscheinlich in mehrere Teile zerfallen (oder das wird mit massivem, teurem Küstenschutz verhindert werden müssen). Fast eine halbe Million Menschen und 3000 Quadratkilometer Wattenmeer sind allein im Norden der Republik dadurch bedroht.

Um dem entgegenzuwirken, schlägt Prof. Reise neben unverzüglichen Anstrengungen im Klimaschutz vor, Anpassungen an die kommenden Überschwemmungen zu realisieren. Am Festland sollten Polderdeiche geöffnet werden, um dem Meer kontrolliert mehr Raum zu geben, vor den Inseln sollte deutlich mehr Sand als bisher vorgespült werden, der sich gern mit der Strömung allmählich ins gesamte Wattgebiet verteilen darf, um hier den Meeresboden zu erhöhen.

Wesentlich früher als die Folgen des Meeresspiegelanstiegs, wird Sylt die Zunahme von Wetterextremen zu spüren bekommen. Die letzten Jahre waren bereits mit Hitzerekorden gespickt. Tendenz: Stürme werden häufiger und länger verweilen. Hurricanes der Karibik wandern bereits heute wegen der Erwärmung des Atlantiks viel weiter nach Osten als früher. Auch kann es zu heisseren Sommern und verregneten Wintern kommen, sicher keine optimalen Rahmenbedingungen für eine ganzjährigen Urlaubsdestination. Eine grossflächige „Verbrennung“ von atlantischer Dünenheide durch Sonneneinstrahlung und Trockenheit gab es bereits im Sommer 2018.

Der Wetterexperte Dr. Meeno Schrader meint dazu: „Dabei liegen die Ursachen für das, was wir heute beobachten und ertragen müssen Jahrzehnte zurück. Das hauptverantwortliche Verursachertreibhausgas CO2 hat eine Verweildauer von 150 Jahren. Dies läßt erahnen, was in Zukunft auf uns zukommt, selbst wenn es notwendigerweise gelingt die Emissionen signifikant herunterzufahren. Der Handlungsdruck eines massiven Umdenkens hin zu einer tiefgreifenden Veränderung unseres Konsumverhaltens nimmt exponentiell zu. Der Klimawandel erzwingt Anpassung, Entgegenwirken und große Solidarität.“(Diplom-Meteorologe, WetterWelt GmbH).

Obwohl die Prognosen düster sind, schaffen wir es auch in der Lokalpolitik nicht wirklich effektiv umzusteuern. Es liegen noch nicht einmal klare, aktuelle Bilanzen vor, wo diese Insel die grössten CO2- und Energie-Lecks hat. Die meisten Anstrengungen sind bislang eher kosmetischer Natur. Eine „Klimawoche“ und ein ReCup Becher-System ändert beispielsweise real noch nichts am Klimawandel.

Woran liegt diese „Lähmungserscheinung“? Möglicherweise, weil viele der Wissenschaft nicht mehr trauen? Schliesslich gab es schon immer Fehldiagnosen- man denke nur an die Sache mit dem Spinat, der lange Zeit als besonders gesund, weil als sehr eisenhaltig galt. Erst Jahrzehnte später wurde aufgedeckt, dass ein Wissenschaftler einen Rechenfehler diesbezüglich gemacht hatte und das Ganze nicht stimmt.

In Bezug auf die moderne Klimaforschung sieht es aber anders aus. Hier sind sogenannte Supercomputer am Werk, die umfangreiche Modellwelten erschaffen, bei denen die Forscher Parameter ändern können und so Zukunftsszenarien mit hoher Präzision entstehen. Diese Computer können ein sehr genaues Modell abbilden. Dass sich die Supercomputer mit Big Data verrechnen ist sehr unwahrscheinlich.

Wer darüber mehr erfahren will und weitere sehr anschauliche Erklärungen zur Klimaforschung sehen möchte wird hier fündig: Terra X

Lothar Koch

Neuester IPCC-Bericht: Dringende Warnung an die Menschheit

Der neueste UN-Bericht des Sachverständigenrates für Klimafolgen warnt vor einem schnelleren Anstieg des Meeresspiegels als bisher für  2100 projiziert

Von Drew Kann, CNN, übersetzt von Lothar Koch

Stand: 25. September 2019

(CNN) Städte von New York über Hamburg, London bis Shanghai könnten regelmäßig überflutet werden, da der Meeresspiegel schneller ansteigt als bisher angenommen.

Gletscher und Eisschilde vom Himalaya bis zur Antarktis schmelzen schnell. Und die Fischereien, die Millionen von Menschen ernähren, schrumpfen.

Dies sind nur einige der Auswirkungen, die Treibhausgasemissionen in den Ozeanen und in den gefrorenen Regionen (Kryosphäre) des Planeten bereits ausgelöst haben. Dies geht aus einem neuen wegweisenden Bericht des „Ausschusses der Vereinten Nationen für Klimawandel (IPCC)“ hervor.

Erderwärmung über drei Jahre. Quelle NOAA

Mehr als 100 Wissenschaftler aus 36 Ländern haben an dem Bericht mit dem Titel „Sonderbericht über den Ozean und die Kryosphäre im Klimawandel“ gearbeitet. Es ist der letzte von drei Sonderberichten des IPCC nach dem dringenden Bericht vom letzten Oktober, der zeigt, dass die Welt möglicherweise nur bis 2030 Zeit hat, um die globale Erwärmung unter 1,5 Grad zu halten.

Der Planet hat nur bis 2030 Zeit, um den katastrophalen Klimawandel einzudämmen, warnen Experten

„Dieser Bericht ist einzigartig, da das IPCC zum ersten Mal einen ausführlichen Katalog erstellt hat, der die entlegensten Winkel der Erde untersucht – von den höchsten Bergen in abgelegenen Polarregionen bis zu den tiefsten Ozeanen„, sagte Ko Barrett, stellvertretender Vorsitzender des IPCC. „Wir haben festgestellt, dass auch und gerade an diesen Orten der vom Menschen verursachte Klimawandel offensichtlich ist.“

Es ist nur der jüngste wissenschaftliche Beweis dafür, dass die vom Menschen verursachte Erwärmung den Planeten schnell auf einen unberechenbaren Weg treibt. Die Wissenschaftler sagen, dass es einige Auswirkungen auf das globale Klima geben könnte – wie einen Anstieg des Meeresspiegels -, die schon nicht mehr gestoppt werden können.

Auch wenn in dem Bericht Ungewissheit darüber besteht, was genau die Zukunft bringt, sind die Autoren diesbezüglich eindeutig: Trotz des entstandenen Schadens hat die Menschheit immer noch die Wahl.

Die Abhängigkeit der Weltwirtschaft von fossilen Brennstoffen durch rasche Maßnahmen zu beenden, könne einige der schlimmsten projizierten Auswirkungen abwehren. Andernfalls setzen wir unseren Weg fort, in eine Welt, die weit weniger angenehm ist als die, in der wir leben.

Eine alarmierende globale Schmelze

Dieser neue Bericht zeichnet ein umfassendes und alarmierendes Bild des schnellen Auftauens in Eis-Regionen auf der ganzen Welt – und wie die Veränderungen die menschliche Zivilisation in den kommenden Jahrzehnten dramatisch verändern werden.

Die Ergebnisse zeigen, dass die Erwärmung des Planeten das Schmelzen von Gletschern und Eisflächen von Grönland bis zur Antarktis beschleunigt und dass der Meeresspiegel voraussichtlich bis zum Ende dieses Jahrhunderts stärker ansteigen wird als bisher prognostiziert.

Von den großen Eisschildern schmilzt das Eis Grönlands am schnellsten.  Das könnte den Meeresspiegel um über 6 Meter anheben. Es hat zwischen 2006 und 2015 durchschnittlich mehr als 275 Gigatonnen Eis pro Jahr verloren . Sein Massenverlust hat sich zwischen 2007 und 2016 im Vergleich zu den letzten zehn Jahren verdreifacht. Aufgrund der wachsenden Beiträge der Antarktisschmelze sagen die Autoren, dass der Anstieg des Meeresspiegels bis 2100 voraussichtlich 92 cm überschreiten wird, wenn die Kohlenstoffemissionen weiter zunehmen. 

Am besorgniserregendsten ist vielleicht, was mit der Eisdecke der Antarktis passiert, die das Potenzial hat, den Meeresspiegel wesentlich stärker zu erhöhen. Die Wissenschaftler warnen, dass weitere Studien erforderlich sind, sagen jedoch, dass Veränderungen in Teilen der Antarktis die ersten Anzeichen dafür sein könnten, dass der Eisschild einen Kipp-Punkt erreicht hat. (Point of no return).

„Wenn dies zutrifft, besteht die Möglichkeit eines Anstiegs des Meeresspiegels um mehrere Meter innerhalb der nächsten zwei bis drei Jahrhunderte“, sagte Regine Hock, Professorin an der University of Alaska Fairbanks und koordinierende Leitautorin zu Kapitel zwei IPCC-Bericht. „Das ist sehr substanziell.“

Auch wenn der Zusammenbruch der Eisdecke der Antarktis nicht unmittelbar bevorsteht, wird dem Bericht zufolge bis 2050 bei vielen der 680 Millionen Menschen auf der ganzen Welt, die in niedrig gelegenen Küstengebieten leben, ein jährliches Hochwasserereignis auftreten, das früher nur einmal pro Jahrhundert stattfand.

Am anderen Pol wissen Wissenschaftler seit langem, dass sich die Arktis viel schneller erwärmt als der Rest des Planeten. In den letzten 40 Jahren, so der Bericht, schrumpft das arktische Meereis sehr wahrscheinlich nicht nur im Sommer, sondern in allen Monaten des Jahres, was zu einer weiteren Erwärmung führt. Der Rückgang des Meereises im September ist besonders signifikant und seit mindestens 1000 Jahren wahrscheinlich beispiellos.

Auch der Permafrost-Boden, der das ganze Jahr über gefroren bleibt und Gigatonnen potenziell planetarisch erwärmenden Kohlenstoffs und Methans enthält, hat sich bereits um Rekordzahlen erwärmt. 

Erwärmung der Ozeane und beschädigte Ökosysteme

Wissenschaftler sagen, dass die Ozeane, die 71 Prozent der Erdoberfläche bedecken, bislang die Hauptlast der vom Menschen verursachten Erwärmung geschluckt haben. Der Bericht warnt jedoch davor, dass sie jetzt nicht mehr mithalten können. Deren Puffereigenschaften sind erschöpft.

Es ist „praktisch sicher“, dass sich die Weltmeere seit 1970 ununterbrochen erwärmt haben und 90 Prozent der überschüssigen Wärme des Planeten absorbierten, heißt es in dem Bericht.

Marine Hitzewellen, die weite Teile der Korallenriffe der Erde abgetötet haben, haben sich sehr wahrscheinlich verdoppelt und dürften häufiger und intensiver werden, so der Bericht.

Die Ozeane absorbieren auf natürliche Weise auch Kohlendioxid aus der Luft und haben wahrscheinlich 20 bis 30 Prozent dessen gespeichert, was der Mensch seit 1980 in die Atmosphäre freigesetzt hat, heißt es in dem Bericht. Die Aufnahme großer Mengen Kohlenstoff hat den Ozean jedoch saurer und für Korallen unwirtlicher gemacht, von denen das Überleben Millionen anderer Arten  abhängt. Infolgedessen sind Verschiebungen in den geografischen Bereichen vieler Arten aufgetreten und die maximalen Fischfangerträge sind gesunken, so die Wissenschaftler. In einigen Regionen wie der Arktis könnte die Fischpopulation zunehmen. Aber in den Tropen der Welt werden Fisch und andere Meeresfrüchte wahrscheinlich schwerer zu finden sein. Für die Millionen von Menschen auf der ganzen Welt, die vom Ozean als Hauptnahrungsquelle abhängig sind, sind die Ergebnisse beunruhigend.

„Zusammengenommen zeigen diese Veränderungen, dass der Ozean und die Kryosphäre der Welt seit Jahrzehnten die Wärme des Klimawandels auf sich nehmen“, sagte Barrett. „Die Folgen für Natur und Mensch sind weitreichend und gravierend.“


Wir haben noch die Wahl, unsere Zukunft zu gestalten
Dem Bericht zufolge, sind einige zukünftige Auswirkungen auf die Ozeane und das Eis schon nicht mehr  zu vermeiden.
Viele gefährdete Städte und Gemeinden – insbesondere entlang der Küsten und in der Arktis – werden gezwungen sein, sich an die Veränderungen anzupassen. Dies wird insbesondere für die ärmsten Länder schwierig sein. Und der Umfang und das Tempo der bevorstehenden Änderungen, warnt der Bericht, werden die Fähigkeiten der Regierungen herausfordern, Lösungen zu entwickeln und umzusetzen.

Die Wissenschaft ist jedoch ebenso klar, dass viele der projizierten Auswirkungen durch eine ehrgeizige und rasche Reduzierung der CO2-Emissionen vermieden werden können. Beispielsweise wird für das Jahr 2100 ein Anstieg des weltweiten Meeresspiegels auf 15 Millimeter pro Jahr bei einem Szenario mit hohen Emissionen prognostiziert. In einem Szenario mit geringeren Emissionen, in dem Menschen sehr bald globale Treibhausgase abbauen, dürfte der Meeresspiegel jedoch mit 4 Millimetern pro Jahr viel langsamer ansteigen. (Derzeit sind es ca 3,6 mm/Jahr in der Nordsee).
„Es ist die Botschaft, dass eine Politik zur Eindämmung der Treibhausgasemissionen einen starken Einfluss auf den zukünftigen Anstieg des Meeresspiegels haben kann“, sagte Andrea Dutton, Associate Professor am Department of Geoscience an der University of Wisconsin Madison. „Was wir heute tun, kann entscheiden, auf welchem ​​dieser Wege wir uns morgen befinden.“ Die jetzt getroffenen Entscheidungen sind ausschlaggebend, um die künftigen Auswirkungen zu begrenzen und die steigenden Kosten und Risiken zu vermeiden, die mit verzögerten Maßnahmen einhergehen, heißt es in dem Bericht.