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Hinterm Horizont geht’s weiter…

Deutsche Industrieplanung und Nordseeschutz jenseits der 12 Seemeilen Grenze

Wenn der Sylter Rettungsschwimmer Steve auf den Windpark Butendiek blickt, der rund 35 km vom Kampener Strand entfernt steht, kann er sich noch gut an die Vibrationen erinnern, die er 2015 an seinem Rettungsstand spürte, als die 80 Windmühlen in den Meeresboden gerammt wurden. 

Butendiek ist der einzige Offshore Windpark, der von Sylt aus sichtbar ist. Er steht an der Grenze zum Unesco Nationalpark Wattenmeer/Walschutzgebiet, direkt in einem Vogel- und Naturschutzgebiet des Bundes.

Auch wenn manche Sylter immer noch innerlich zusammenzucken, wenn sie bei Sonnenuntergang auf die ästhetische Störung am einst makellosen Horizont blicken, haben sich wohl die meisten Insulaner und Gäste an den Anblick gewöhnt.

Man gewöhnt sich an alles- und was ich nicht weiß macht mich nicht heiss. 

Aber gilt das auch für unsere Tierwelt da draussen: die Seehunde, Kegelrobben, Schweinswale und Meeresvögel? Und würden nicht mehr Bürger besorgt um diese Tierarten sein, wenn ihnen bewusst wäre, was für eine gewaltige Industrieplanung da draussen ansteht und zum Teil bereits in vollem Gange ist?
Ja, wir müssen zügig das globale CO2-Problem in den Griff kriegen-aber ist es weise, alles auf eine „Wind-Karte“ zu setzen und damit die Artenvielfalt der Nordsee aufs Spiel zu setzen?

Butendiek ist nur die sichtbare Spitze eines immer grösser geplanten Netzes von Windparks in der deutschen Nordsee und  den Gewässern der Nachbarstaaten. Das Gebiet jenseits der 12 Seemeilen SH-Landesgrenze untersteht Bundesgesetzen und wird seit jeher als „Ausschliessliche Wirtschaftszone“ (AWZ) bezeichnet.

Ein Begriff der geprägt wurde, als selbst Experten noch glaubten, dass unser Hausmeer nichts weiter als ein  physikalischer Wasserkörper vor unserer Küste ist. Gut genug, um Chemieabfälle, Abwasser von Kommunen, Müll von Schiffen, überflüssiges Öl und anderen Unrat, wie zum Beispiel alte Munition und Sprengstoffe darin zu versenken. Natürlich auch bestens geeignet als Wasserstrasse für Tanker, Containerschiffe und als Fischereigrund, Rohstofflieferant für Öl, Gas und Kies sowie Testgebiet des Militärs.

Die Nordsee- von der Müllkippe zum  gut  erforschten Ökosystem

Inzwischen sind rund 50 Jahre vergangen, in denen das Bewusstsein für die Nordseenatur wuchs- der Begriff AWZ ist jedoch geblieben. Seit Mitte der 1980iger Jahre gab es zahlreiche internationale Nordseeschutzkonferenzen. Diese führten zu nationalen und internationalen Abkommen, die die Nordsee als Ökosystem mit allen darin befindlichen Lebewesen schützen sollen. 

Paradoxerweise erlebten Wissenschaft und Naturschutz einen besonderen Zuwachs an Informationen über die Artenvielfalt und  deren Bedürfnissen und Vernetzungen mit dem Aufkommen der Offshore-Windindustrie. Als diese um die Jahrtausendwende begann, erste Parks in bis zu 30 m tiefem Wasser zu planen, war der Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer gerade um das erste europäische Walschutzgebiet westlich von Sylt und Amrum erweitert worden und hielt so die Baumassnahmen auf weiten Abstand zur Küste. 

Ab 2001 waren bereits zahlreiche Offshore-Windparks weiter draussen in Planung und für jeden verlangte das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie eine  Umweltverträglichkeitsstudie. Die grossen Player der Windindustrie wie EON, RWE, EnBW, Vattenfall und viele andere Investoren mussten also ein Heer von Experten beauftragen, um ein genaues Bild der naturkundlichen und meeresökologischen Rahmenbedingungen festzustellen. 

Ökologen, Ozeanographen, Ornithologen, Meeresbiologen, Walforscher und Robbenexperten sorgen seitdem für eine Fülle von Daten und Erkenntnissen, die inzwischen nachgewiesen haben, dass die Nordsee vor unserer Haustür ein sensibles Netzwerk  vieler gesetzlich geschützter Arten und Biotope ist.

Inzwischen gibt es vermutlich wenige heimische Naturbereiche, die einem so intensiven Monitoring unterzogen werden, wie die  Deutsche Bucht. Mit Schiffen, Flugzeugen, Schalldetektoren, Messgeräten, Bodenrobotern, Infrarot Kameras, Sonaren  u.v.a.m. wird die offene Nordsee im Planungsgebiet der Windenergiefirmen minutiös untersucht. Nicht nur im Auftrag der Industrie selbst, sondern auch seitens der zuständigen deutschen Bundesämter, wissenschaftlichen Institute und Universitäten.

Inzwischen stehen hier 1.306 rund 130 m hohe Windmühlen, gebündelt in 24 Windparks. Einer davon, der besagte Butendiek, sogar in einem ausgewiesenen Vogel- und Naturschutzgebiet. Allein diese Menge führt bereits zu zahlreichen Konflikten mit den zu schützenden Artengruppen Wale, Robben, Seetaucher, Meeresenten und dem Ökosystem der südlichen Nordsee an sich, welches sich durch dynamische Schlick- und Sandböden sowie Sandriffbereiche auszeichnet und ausser dem roten Felsen von Helgoland bis zum Bau der Anlagen fast keine festen Substrate aufwies- und damit auch keine felsenähnlichen Strukturen an denen manövrierunfähige Containerschiffe und Tanker zerschellen könnten.

Wird der Nordseeschutz dem Klimaschutz zum Opfer fallen?

Nun aber, so schallt es ziemlich undifferenziert von nationalen Regierungsbänken, einschliesslich des Grünen Wirtschaftsministers, soll der eigentliche Bauboom da draussen hinter dem Horizont erst richtig losgehen. Und bei den anderen Nordseeanrainerstaaten genauso- wenn nicht noch intensiver.

Bis 2045 will allein Deutschland 70 GW Windstrom in der südlichen Nordsee und deutschen Ostsee erzeugen.Das wären bei heutigem Mühlenstandart rund weitere 14.000 Turbinen. Derzeit existieren rund 1.600 Mühlen in beiden Hausmeeren zusammen, die knapp 7.700 MW produzieren. Inzwischen ist in europäischen Planungspapieren sogar von einem 300 GW-Ausbau allein in der Nordsee die Rede. Das wird die Hausmeere für die kommenden 25 Jahre in eine lärmende Dauerbaustelle verwandeln und hörempfindliche Arten wie Robben und Schweinswale besonders hart treffen. Obwohl inzwischen wesentlich leisere Gründungen von Windmühlen möglich und marktreif sind, bleibt die Schwerindustrie bislang beim lautstarken Einhämmern der WKA-Fundamente. 

Die Naturschutzverbände der Nationalpark-Küste sind alarmiert: „Wir sind sehr besorgt, dass die notwendigen Rahmenbedingungen zum Schutz der Artenvielfalt, insbesondere von Meeressäugern und Seevögeln, angesichts des Krisenmodus auf der Strecke bleiben, wenn die Planung der Bundesregierung im Nordseeraum umgesetzt wird“, sagt Kim Detloff vom NABU-Deutschland. 

„Die im neuen Windenergie-auf-See-Gesetz fixierten 70 GW in der deutschen AWZ sind unseres Erachtens nicht annähernd naturverträglich darzustellen“, ergänzt der Biologe. „Die angedachten 300 GW  stellen für uns  sämtliche bisherigen staatlichen naturschutzpolitischen Ziele des Nordseeraumes in Frage. Vor dem Hintergrund, dass aktuell ein LNG-Terminal in den Ostsee-Nationalpark Jasmund bei Rügen genehmigt wurde, befürchten wir nun auch weitere Entwertungen der Meeresschutzgebiete in der Nordsee.“

Dabei steht schon jetzt ein Drittel der Arten in Nord- und Ostsee auf der Roten Liste und internationale Abkommen sowie europäische Richtlinien geben vor, was längst zu tun wäre. Aber statt die Meeresschutzgebiete wirkungsvoll vor Nutzungen zu schützen und optimal auszustatten, sollen nun Umweltstandards weiter aufgeweicht werden.  Wir sägen am eigenen Ast. Das aus dem Weg räumen des Naturschutzes zur Beschleunigung von erneuerbaren Energien wird für nachfolgende Generationen sehr teuer werden. Völlig ignoriert werden die Leistungen natürlicher Kohlenstoffsenken im Meer.

Naturschutzverbände und Wissenschaftler schlagen Alarm

Der NABU hat eine umfassende wissenschaftliche Studie in Auftrag gegeben die nach dem Ampel-Prinzip die Flächen der AWZ hinsichtlich der Naturverträglichkeit von Windparks bewertet. Mit viel „Bauchschmerzen“ bleibt bestenfalls ein  schmaler, grüner Streifen der AWZ zur Energieerzeugung übrig (s.Karte, Bericht). 

Die Studie verdeutlicht, dass die Vorstellung davon, dass am Reissbrett abgezirkelte Schutzgebietsgrenzen ausreichen, um die Populationen bedrohter Tierarten zu sichern eine falsche Hoffnung weckt. Vielmehr handelt es sich bei den Schutzgütern überwiegend um wandernde Arten, die unterschiedliche Aufenthaltsorte im Jahres- und Lebenszyklus nutzen und dazu barrierefreie, ungestörte  Wanderkorridore zwischen den von Ihnen benötigten Biotopen brauchen.

Auch die Meeres-Wissenschaftler schlagen Alarm angesichts des europaweit proklamierten Offshore-Windkraftbooms. Im September 2023 trafen sich rund 200 von Ihnen zu einer Konferenz in Stralsund, die vom Bundesamt für Naturschutz organisiert wurde. Deren Fazit wurde in 52 detaillierten Aktions-Punkten zusammengefasst, die helfen könnten, trotz eines weiteren, sanften Ausbaus der Windenergie, die Artenvielfalt in Nord-und Ostsee zu erhalten.

Das generelle Fazit lautet:

  • Mehr Meeresschutzgebiete ausweisen in denen die Biodiversitätsstrategie der EU wirklich Anwendung findet, wobei 30% der Fläche unter Schutz und 10 % unter strengem Schutz stehen sollte (Null-Nutzung).
  • nur einen naturverträglichen Ausbau der Windenergie genehmigen und
  • dringend die Effekte der Fischerei auf das Meeresökosystem vermindern, wie etwa umweltschädliche Fangmethoden wie Grundschleppnetze langfristig in besonders sensiblen Gebieten zu verbieten

Was ist zu tun? Wer macht es?

Wenn auch sehr spät, haben  Naturschützer und Meereswissenschaftler nun ausreichend detaillierte Vorschläge und Forderungen auf den Tisch gelegt, um den Ausbau der Windkraft auf See in Deutschland in naturverträgliche Bahnen zu lenken. Angesichts der des gewaltigen Zeitdrucks, der seitens der Politik und verschiedener Interessengruppen zum Thema Klimaschutz aufgebaut wird ist jedoch kaum damit zu rechnen, dass diese noch rechtzeitig und voll umfassend umgesetzt werden.
Dabei ist es einfach unklug  und alles andere als nachhaltig, die Klimakrise gegen die Biodiversitätskrise auszuspielen. 

Wer aber wird die Forderungen umsetzen? In der Politik sieht es in dieser Hinsicht magerer denn je aus, seit die Grünen sich zur Speerspitze des technologischen Klimaschutzes erklärt haben. Viele hoffen auf die Grüne Umweltministerin Steffi Lemke, die der Meeresnatur stets verbunden war und seit je her eine den Meeresschutz stärkende Position vertritt – aber wird sie sich gegen den Klima- & Wirtschaftsminister Habeck aus der eigenen Partei durchsetzen können?

Einladung zu neuem Denken: AWZ wird MWZ

Ein erster symbolischer Schritt könnte die Umbenennung der „Ausschliesslichen Wirtschaftszone (AWZ)“ in „Marine Wildnis Zone (MWZ)“ sein. Manchmal können so kleine verbale Veränderung ein grundsätzliches Umdenken initiieren. Und genau das ist wohl nötig um aus dem Dilemma Klimaschutz versus Naturschutz herauszukommen. Es braucht ein neues Denken, einen  grundsätzlichen Systemwechsel der zu Energieeinsparung und breiter, landesweiter Diversifizierung alternativer Energien führt. Weg von Gigantomanie an einem Ort hin zu kleineren Lösungen überall. Denn frei nach Einstein können Probleme bekanntlich nicht mittels derselben Denkweisen gelöst werden, die diese Probleme ursprünglich entstehen liessen.

20 Jahre nach der Pallas-Havarie vor Amrum – eine Bilanz

Dringender Handlungsbedarf beim Krisenmanagement von Schiffsunfällen

Die brennende Pallas vor Amrum

16.000 verölte Vögel im Wattenmeer, mehr als 14 Millionen Mark direkte Folgekosten sowie ein Schiffswrack, das für lange Zeit als Mahnmal aus dem Amrumer Sand ragen wird. Am 25. Oktober 1998 geriet der Holzfrachter Pallas in Brand und strandete bei widrigen Wetterbedingungen vier Tage später aufgrund von Kompetenzgerangel, Fehlentscheidungen und schlechter Ausrüstung vor der Nordseeinsel. Kurz nach der Havarie stellte die Schutzstation Wattenmeer gemeinsam mit anderen Umweltverbänden einen umfassenden Forderungskatalog zur Bekämpfung der schleichenden Ölpest und von Ölunfällen auf. Was hat sich seitdem getan?

„Der Pallas war vor 20 Jahren ein Weckruf für die Küste“, zieht Johann Waller, Vorsitzer der Schutzstation Wattenmeer, Bilanz. Viele der damaligen Forderungen der Verbände seien durch intensive Lobbyarbeit umgesetzt worden. Erfolge sieht der Umweltverband vor allem bei der Bekämpfung der schleichenden Ölpest: Seit Jahr 2002 müssen Schiffe europaweit Entsorgungskosten in den Häfen zahlen, egal ob sie dort ihr Altöl lassen oder nicht. „Damit ist ein Anreiz weggefallen, den Ölschlamm illegal über Bord zu pumpen“, erläutert Waller. Ein Erfolg sei auch die Anerkennung des Wattenmeeres als besonders empfindliches Meeresgebiet (PSSA) im gleichen Jahr durch die Internationale Schifffahrtsorganisation IMO, ebenfalls eine alte Forderung der Umweltschützer. In der Praxis hatte sie zur Folge, dass Schiffe das Schweröl Bunker C als Schiffstreibstoff im Wattenmeer nicht mehr verwenden können.

„Trotz aller Verbesserungen zeigen leider jüngste Erfahrungen, dass Schiffsstrandungen wie bei der Pallas immer noch möglich sind“, so der Vorsitzer. Wie ein Pallas-Déjà-vu wirkte die Havarie des Massengutfrachters Glory Amsterdam im letzten Jahr: Mit mehr als der doppelten Pallas-Ölmenge an Bord strandete das Schiff 200 Meter entfernt von der Insel Langeoog. Nur durch Glück wurde der unbeladene Frachter nicht in die westlich des Ankerplatzes gelegenen Offshore-Windparks getrieben.

„Was nützen Notfallkonzepte, wenn sie in der Praxis schlecht umgesetzt werden? Beim Krisenmanagement von Schiffsunfällen muss dringend nachgebessert werden“, sagt Waller. Bei der Pallas-Strandung wurden 200 Tonnen Öl freigesetzt. Die größten Tanker, die das Wattenmeer durchqueren, haben über 100.000 Tonnen Rohöl geladen. „Die Havarie eines Gefahrguttankers wäre ein Super-Gau für das Welterbe Wattenmeer mit Hunderttausenden verölten Vögeln“, so der Naturschützer. Auch der Tourismus würde für Jahre zum Erliegen kommen. „Wo Milliarden von Euro Schäden drohen, muss es doch möglich sein, die Vorsorge angemessen zu organisieren. Das Notfallkonzept des Bundes berücksichtigt bislang nicht angemessen, dass da draußen lauter neue Windparks entstehen, in die ein Tanker mit Ruderschaden binnen Minuten hineindriften kann.“ Die Schutzstation Wattenmeer fordert eine Kostenbeteiligung der Stromerzeuger für die Bereitstellung weiterer Notfallschlepper und eine effizientere Organisation des Havariekommandos.

 

Dipl.Biol.Christof Goetze, Schutzstation Wattenmeer

Der Sylter Walpfad: Die Standorte und Schwerpunkte

Wie bereits in diesem Blog berichtet, stehen seit dem 3. September 2018 an 22 Strandübergängen und Promenaden fast alle (die letzten werden gerade montiert) neue Informations-Einheiten zum Walschutzgebiet. Sylt NaturReporter veröffentlicht hier erstmals exklusiv die Standortliste. Besonders für Radler kann eine Tour zu allen Infopunkten ein interessanter und lehrreicher Ein-oder Zwei-Tagesausflug über die ganze Insel werden. Neben den Schweinswal-Infos erfährt der Besucher viel über Seehunde, Kegelrobben, Hochseevögel, Klimaschutz und Küstenschutz.

 

 

Der Ausflug läßt sich von Westerland aus in eine Nord-und Südtour teilen. Schauen Sie doch mal in meinen Natur-Radwanderführer „Natürlich Sylt“-dort finden Sie die besten Routen für Radler!

Hier die Liste der Info-Punkte und deren Hauptthemen:

Nordtour- Abschluss im „Erlebniszentrum Naturgewalten“ in List/Hafen. Dort erwartet Sie eine tolle Ausstellung mit spannenden Filmen zu allen Meeressäugern und einer Life-Cam, über die Seehunde in Echtzeit bei jedem Wetter ganz nah beobachtet werden können.

  1. Westerland Hauptübergang Friedrichstr. /obere Promenade: Whale- und Seawatching auf Sylt
    Ein Info-Pult neben dem Fernrohr.
  2. Westerland NordseeklinikGesundes Meer, gesundes Leben
    Ein Info-Pult.
  3. Wenningstedt, Seestraße:
    Meeressäuger im Nationalpark. 
    Robben und Wale
    Ein Info-Pult.
  4. Wenningstedt Hauptstrand-Treppe:
    Fischerei und Müllproblematik
    Ein Info-Pult.
  5. Wenningstedt, Berthin Bleegstr:
    Aus sylter Walfängern werden Walschützer.
    Ein Info-Pult auf der Aussichtsplattform.
  6. Kampen Strandübergang Campingplatz:
    Meeresschutzgebiete vor Sylt
    Ein Info-Pult.
  7. Kampen, Plattform Rotes Kliff:
    Klimaschutz ist Meeresschutz
    Ein Info-Pult. Nicht am Übergang sondern am Parkplatz der „Sturmhaube“
  8. List FKK-Strand:
    Meeresforschung 

    Ein Info-Pult.
  9. List Weststrandübergang:
    Das erste Walschutzgebiet Europas
    Ein Info-Pult direkt an der Strandtreppe
  10. List Ellenbogenberg:
    Freundliche Meeresbewohner Kleine Wale ganz nah.
    Wandern Sie ruhig mal hoch auf die Plattform. Dort wartet ein tolles Panorama auf Sie und eine grössere Info-Stele.
  11. List Mövenbergdeich Höhe Uthörn:
    Vögel und Seehunde
    Ein Info-Pult.
  12. List Mövenbergdeich Höhe Lister Haken:
    Königshafen
    Ein Info-Pult.
  13. List Hafen-Nordpromenade:
    Nationalpark Wattenmeer
    Ein Info-Pult.

Südtour- Abschluss in der „Arche Wattenmeer“ in Hörnum/Ortseingang. Dort erwartet Sie eine tolle Ausstellung der Schutzstation Wattenmeer mit Aquarien und Infos zu allen Meeressäugern.

  1. Westerland, Plattform Himmelsleiter:
    Meeressäuger und Meeresenten
    Es geht 100 Stufen hoch, aber der Blick lohnt sich. Auch auf das Info-Pult.
  2. Westerland Strandübergang Robbenweg:
    Whalewatching im Nationalpark
    Eine grössere Info-Stele direkt auf der Dünenkuppe am Meer.
  3. Rantum Hauptstrand:
    Schutz vor Unterwasserlärm
    Eine grössere Info-Stele direkt auf dem Panoramaplatz beim Restaurant „Strandmuschel“.
  4. Rantum Sansibar:
    Kinderstube der Kleinwale
    Ein Info-Pult.
  5. Strandübergang K4 (Bunker Hill):
    Unterwasser-Monitoring
  6. Hörnum Campingplatz:
    Grosswal-Strandungen
  7. Hörnum Plattform Hauptstrand:
    Sylter Schweinswalforschung führte zum Walschutzgebiet

    Ein Info-Pult.
  8. Hörnum Odde Südkap/Oststrand:
    Naturgewalten erleben
  9. Hörnum Odde, Ende Odde-Wai:
    Küstenschutz Im Nationalpark
    Den Oddewai in Richtung Strand gerade durch laufen. Dort kurz vor den Tetrapoden steht ein Info-Pult.

Naturschutz auf Sylt, Folge 7: Das NSG Sylter Außenriff

Zeichnung Martin Camm

Zeichnung Martin Camm

In einer Serie stellt die Naturschutzgemeinschaft Sylt und die Söl’ring Foriining das Thema „Natur auf Sylt“ in seiner ganzen Bandbreite in der Sylter Rundschau dar. Erschienene Artikel werden auf natuerlichsylt.net veröffentlicht und archiviert. Es werden Institutionen und Vereine vorgestellt und auch  Menschen, die sich für die Sylter Natur einsetzen. In der sechsten Folge gibt der Diplombiologe Fabian Ritter einen Überblick über den Stand der Dinge beim kürzlich neu eingerichteten NSG Sylter Aussenriff.

Wichtiger Lebensraum & Naturschutzgebiet westlich des Nationalparks SH-Wattenmeer mit dem Walschutzgebiet

von Dipl. Biol. Fabian Ritter, Whale and Dolphin Conservation (WDC)

 

Landseitig ist Sylt vom Nationalpark Wattenmeer begrenzt, der recht strengen Schutz genießt. Seeseitig blicken wir vom Weststrand ebenfalls auf einen Teil des Nationalparks. Dort erstreckt sich auch Deutschlands erstes – und bisher einziges – Walschutzgebiet entlang der gesamten Insel und südlich bis Amrum. Für die heimischen Schweinswale ist es eines der wichtigsten Aufzuchtsgebiete, hier bringen sie jedes Jahr ihre Jungen zu Welt. Weniger bekannt ist jedoch, dass auch die Gewässer außerhalb der 12-Meilen-Zone (und damit in der deutschen „Ausschließlichen Wirtschaftszone“, AWZ) unter Schutz stehen. Das größte deutsche Meeresschutzgebiet der Nordsee „Sylter Außenriff“ schließt sich direkt an das küstennahe Schweinswalschutzgebiet an.

Walschutzgebiet

Befliegungskarte Schweinswale monitoring Sylter Aussenriff 2014-Karte

Ende 2017 wurde das Sylter Außenriff als Naturschutzgebiet gemäß dem Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) ausgewiesen. Damit wurde endlich vollzogen, was seit über einem Jahrzehnt in der Entstehung, jedoch immer wieder erheblich verzögert worden war. Denn auf dem Papier besteht das Schutzgebiet schon seit 2007 – es ist Teil eines Schutzgebietsnetzwerkes „Natura2000“ unter der 2004 in Kraft getretenen Flora-Fauna-Habitat (FFH-) Richtlinie der EU in Kraft. Die EU-Mitgliedsstaaten verpflichteten sich, den Schutz der Lebensräume und Arten in den Natura2000-Gebieten zu gewährleisen und binnen sechs Jahren in nationales Recht umzuwandeln. Doch damit begannen auch die Schwierigkeiten.

Das Sylter Außenriff ist in der Tat ein besonderes Gebiet. Großräumig gibt es hier Steinriffe, die eine Vielzahl von bodennah lebenden Arten beherbergen. Zwischen den Riffen liegen wichtige Habitate für zahlreiche Organismen. Die Amrumbank ist als große Sandbank ein wichtiger Lebensraum für Fische. Die Vielgestaltigkeit dieses Mosaiks führt zu einem Fischreichtum, der wiederum Meeressäuger anzieht. Deshalb konzentrieren sich Schweinswale hier, aber auch Seehunde und Kegelrobben finden gute Bedingungen. Außerdem ist das Sylter Außenriff Nahrungs-, Überwinterungs-, Mauser-, Durchzugs- oder Rastgebiet für diverse Seevogelarten, darunter Seetaucher, Tordalken, Basstölpel, Trottellumme und Dreizehenmöwe.

All diese Charakteristika wurden ins Feld geführt, als es um die Ausweisung des Schutzgebietes ging. Und zu verbessern gibt es in der Tat einiges, denn obwohl es sich um einen Lebensraum von hohem Stellenwert für viele, seltene und bedrohte Arten handelt, ist sein Zustand alles andere als natürlich. Denn überall im Schutzgebiet wird kommerziell gefischt. Die grundberührende Fischerei ist im Sylter Außenriff praktisch flächendeckend verbreitet. Die schweren Geräte der Krabbenkutter hinterlassen mit jedem Fischzug deutliche Spuren der Zerstörung auf dem Meeresboden. Stellnetze tun ihr übriges, in ihnen verfangen sich bekanntermaßen besonders viele Meeressäuger und Seevögel. Zusätzlich trifft man Freizeit- und Stellnetzfischer landwärts, während große Trawler ihre Schleppnetze weiter draußen auf hoher See ausbringen. Wenngleich die Fischerei den größten negativen Effekt auf das Ökosystem hat, ist sie bei weitem nicht die einzige menschliche Nutzung. Die Schifffahrt, der Bau von Windparks, die Suche nach Öl- und Gas und massive militärische Übungen finden im Umfeld sowie innerhalb des Schutzgebietes statt. Unrühmliches Beispiel war zuletzt der Bau des Windparks „Butendiek“, der trotz massiver Störungen von Vögeln und Meeressäugern bis 2015 mitten ins Schutzgebiet gebaut wurde. An Tagen mit guter Sicht kann man die Windräder vom Sylter Weststrand aus in der Ferne sehen. 2015 hat der Windpark seinen Betrieb aufgenommen, und seit mehr als drei Jahren läuft auch eine Klage von Naturschützern gegen die Betriebserlaubnis der 80 Windenergieanlagen.

Aber wie kann es sein, dass all diese Aktivitäten innerhalb eines Naturschutzgebietes stattfinden? An Land würde niemand auf die Idee kommen, Straßen oder Großanlagen in ein Naturschutzgebiet zu bauen, militärische Übungen oder die massenhafte Entnahme von Organismen zu genehmigen. Ein Grund für den mangelnden Schutz im Sylter Außenriff war lange das Fehlen eines Managementplans, der fest legt was im Schutzgebiet erlaubt ist und was nicht. Für das Sylter Außenriff wurde jedoch erst Ende 2017 vom Bundesumweltministerium der Entwurf eines Managementplans vorgestellt. Vorangegangen war eine schier unendlich politische Auseinandersetzung, bei der sich verschiedene Bundesministerien gegenseitig blockierten. Dass auch in Zukunft wirtschaftliche Interessen an vielen Stellen über den Naturschutz gestellt werden, ist den Managementplan-Entwürfen bereits anzusehen. Kaum eine Aktivität soll im Sylter Außenriff per se verboten werden. Windparks, ja sogar der Abbau von Rohstoffen können nach einer Umweltverträglichkeits-prüfung weiterhin genehmigt werden. Hier wird im Vergleich mit Naturschutzgebieten an Land mit unterschiedlichem Maß gemessen.

Thema Schifffahrt: Der viele Verkehr in der Nordsee kreuzt mitten durch das Schutzgebiet, und bringt damit die Gefahr von Müllverschmutzung, Kollisionen mit Meeressäugern und Unterwasserlärm. Insbesondere Schweinswale reagieren sehr empfindlich auf den Lärm, und erst vor kurzem wurde nachgewiesen, dass Schweinswale aufgrund von Schiffslärm weniger effektiv jagen können. Andere Folgen des Lärms sind Stress, Vertreibung und mögliche Effekte auf Populationsebene. Zu bedenken ist stets auch, dass alle Einflüsse kumulativ auf die Meeresorganismen einwirken und synergistische Effekte entstehen können, welche den Gesamtdruck zusätzlich verstärken.

Thema militärische Übungen: Die Bundeswehr darf im Sylter Außenriff heute praktisch alles tun und lassen was sie für notwendig erachtet, auch wenn dadurch die Natur – buchstäblich – unter Beschuss gerät. Manöver, Schießübungen, Tiefflüge, Sonareinsatz, usw. werden auch zukünftig erlaubt bleiben – inmitten der Schutzgebiete und ohne Umweltverträglichkeitsprüfung. Die Totschlagsargumente „innere Sicherheit“ und „Terrorabwehr“ sorgen dafür, dass es hier bis auf Weiteres keine Einschränkungen geben wird. Immerhin hat die Marine mittlerweile Dialogbereitschaft signalisiert, zukünftig mehr auf Naturschutzaspekte zu achten. Ob das zu wirksamen Veränderungen führen wird, darf jedoch bezweifelt werden.

Thema Fischerei: Da Deutschland aufgrund von EU-Beschlüssen die Aktivitäten der Fischer in der AWZ nicht selbstständig beschränken darf, müssen alle Vorschläge zur Regulierung bestimmter Fangmethoden oder zeitlich-räumliche Begrenzungen mit den EU-Nachbarstaaten abgesprochen werden. So werden bis heute Deutschlands Vorschläge im Rahmen der Gemeinsamen Fischereipolitik verhandelt. Nun hat die Fischerei in Deutschland eine starke Lobby, die im zuständigen Landwirtschaftsministerium stets auf offene Ohren stößt. Das Ergebnis der Verhandlungen wird aus Sicht des Naturschutzes enttäuschend sein, denn weder wird Fischerei flächendeckend verboten (was für ein Naturschutzgebiet ja durchaus adäquat wäre), noch werden umweltzerstörerische Fangmethoden abgeschafft. Im Gegenteil: je länger die Verhandlungen dauern, desto mehr werden die ursprünglichen Maßnahmen verwässert. Leidtragende sind Schweinswale, Seevögel und viele andere schützenswerte Arten. Leider hat die Bundesregierung hier ihre Chance verspielt, eine Vorreiterrolle im Meeresschutz innerhalb der EU einzunehmen.

Whale and Dolphin Conservation (WDC) setzt sich seit vielen Jahren dafür ein, dass Meeresschutzgebiete in Deutschland ihren Namen verdienen. In Kooperation mit anderen Umweltschutzorganisation – darunter auch die Schutzstation Wattenmeer – werden dazu Gespräche mit Entscheidungsträgern gesucht, Kampagnen zur öffentlichen Bildung ins Leben gerufen und fachliche Stellungnahmen verfasst. Ohne diese wichtige Arbeit hätte der Meeresschutz in Deutschland deutlich weniger Gewicht.

Bedauerlicherweise bestehen die Nordsee-Meeresschutzgebiete, inklusive dem Sylter Außenriff bisher also praktisch nur auf dem Papier. Ob wir Menschen unsere störenden Aktivitäten zukünftig fast unverändert fortführen werden, oder ob es zu echten Einschränkungen kommt, die der Natur dienen (sprich: ob die Schutzgebiete das Papier wert sind, auf dem sie stehen), daran wird sich die Meeresschutzpolitik in Deutschland trefflich messen lassen können.

Dipl.-Biol. Fabian Ritter, und Meeresschutzexperte bei WDC setzt sich zusammen mit seiner Organisation und dem Projekt „Walheimat“ { http://de.whales.org/themen-und-projekte/walheimat-sichere-schutzgebiete-jetzt } für den verbesserten Schutz der Schweinswale in deutschen Gewässern ein.

Sein neues Buch über Wale und Delphine bei den Kanarischen Inseln gibt es hier:Delfinbuch Titelhttp://clarityverlag.de/shop/edition-claritycollection/delfine-detail.html

Naturschutz auf Sylt, Folge 5: MIND THE GAP: wer schliesst die Walschutzlücke?

Zeichnung Martin Camm

Schweinswal Phocoena phocoena, Zeichnung: Martin Camm

In einer Serie stellt die Naturschutzgemeinschaft Sylt und die Söl’ring Foriining das Thema „Natur auf Sylt“ in seiner ganzen Bandbreite in der Sylter Rundschau dar. Erschienene Artikel werden auf natuerlichsylt.net veröffentlicht und archiviert. Es werden Institutionen und Vereine vorgestellt und auch  Menschen, die sich für die Sylter Natur einsetzen.

In der fünften Folge gibt Lothar Koch, freier Biologe und Autor einen Überblick über das Walschutzgebiet im Nationalpark Wattenmeer vor der Insel.

 

 

Zum Sylter Walschutzgebiet – Geschichte und aktueller Status

MIND THE GAP!– Achtung Sicherheitslücke! so schallt es über die Lautsprecher der Londoner U-Bahn, wenn der Zug in den Bahnhof eingefahren ist. Zwischen Zug und Bahnsteig bleibt für die Ein-und Austretenden oft ein gefährlicher Spalt.

Ähnliches möchte man den Sylter Schweinswalen zurufen, wenn sie im Sommer mit ihren frisch geborenen Kälbern durch die warmen Priele direkt entlang des Sylter Strandes ziehen und Sandaalen nachjagen: MIND THE GAP!

Ja, es gibt eine Sicherheitslücke für die streng geschützte Tierart- trotz Walschutzgebiet. Und die ist 150 Meter breit und liegt genau entlang des Sylter und Amrumer Strandes.

Woran das liegt, erklärt die Entstehungsgeschichte des Walschutzgebietes.

Ein Blick zurück:

Die 1980iger Jahre waren  an der Küste von hitzigen Debatten um Wattenmeer- und Nordseeschutz geprägt. Ein jahrelanges Gerangel um die Idee, ein Großschutzgebiet als  Nationalpark im deutschen Wattenmeer einzurichten, brachte  Fischer, Jäger, Touristiker, Skipper und alteingesessenen Insulaner auf die Barrikaden. 1985 wurden in Schleswig-Holstein Kompromisse zwischen „Schützern“ und „Nutzern“ geschlossen, um das Vorhaben hier doch noch zu realisieren. Ein wesentlicher Punkt lag darin, dass sämtliche Inseln und große Halligen nicht Teil des Nationalparkes werden und die Grenze des Parkes 150 m seewärts  der MTHW-Linie von Inseln und Küste gezogen würde. Ökologisch unsinnig, aber politische Notwendigkeit.

Eine erste Novellierung des Nationalparkgesetzes stand knapp 15 Jahre später an. Das Landesamt für den Nationalpark hatte die Jahre genutzt, um das Großschutzgebiet im Detail zu erforschen. Die zahllosen Ergebnisse dieser Ökosystemforschung und weitere Streitereien um Nutzungsinteressen machten erhebliche Anpassungen im Gesetz erforderlich. Der sogenannte „150 Meter-Streifen“ blieb jedoch unangetastet, obwohl in Niedersachsen Teilflächen der Inseln inzwischen in den dortigen Nationalpark Wattenmeer integriert worden waren.

Meeressäuger rücken in den Fokus

In Schleswig-Holstein, insbesondere auf Sylt,  hatten Naturschützer während der Forschungsjahre ihren Blick über den „Tellerrand“ des klassischen Wattenmeeres, auf die offene Nordsee hinaus gerichtet. Der Grund war auch eine Epidemie unter den Seehunden, die 1988 bundesweit für drastische Empörung angesichts der sterbenden „Nordsee-Kuscheltiere“  gesorgt hatte. Allein vom Sylter Strand wurden rund 800 Kadaver in wenigen Wochen der Hauptsaison geborgen. Am Ende waren es 23 000 im gesamten Gebiet der Epidemie. Dies geschah gerade in dem Sommer, der einer Internationalen Nordseeschutzkonferenz in London (Herbst 1987) folgte, zu der sowohl die Natur-und Umweltverbände der Küste, als auch Gemeindevertreter und Nordseebäderverbände reisten, um gemeinsam für eine „saubere Nordsee“ zu protestieren. Das Seehundsterben wirkte demzufolge wie eine brutale Bestätigung all dieser Bemühungen um ein Müll- und schadstofffreies Hausmeer, denn die Seehundstaupe grassierte auf der Basis eines Tierbestandes, dessen Immunsystem durch enorm hohe Schadstoffwerte geschädigt war.

Das Augenmerk lag also ab jetzt mehr auf den Meeressäugern, statt auf den Vögeln und Wattwürmern. Als hätte diese Tiergruppe der Nordsee das Interesse wahrgenommen, rückten ab 1989 plötzlich zwei weitere Meeressäugetierarten in den Fokus, die bislang kaum eine Rolle in den Debatten um den Nationalpark gespielt hatten: Die Kegelrobben und Schweinswale. Der Fund einer kleinen neugeborenen Kegelrobbe im Winter 1988/89 an der Hörnum Odde war der Auftakt eines Kegelrobben-Schutzprojektes der Schutzstation Wattenmeer. Und wenige Monate später folgte ein Schweinswalprojekt.

Ein internationales Forschungsgutachten, das die Sorge um Kleinwale in der Nordsee zum Ausdruck gebracht hatte, sowie eine erhöhte Rate von Schweinswal-Totfunden an sylter Stränden motivierte den WWF, das Nationalparkamt und die Schutzstation Wattenmeer damals zur Herausgabe eines Zählbogens für diese bislang weitgehend übersehenen Meeressäuger. In den Folgejahren zog die Schutzstation Wattenmeer gemeinsam mit anderen sylter Verbänden eine Schweinswal-Synchronzählung auf, bei der vierzehntäglich an 20 festen Beobachtungspunkten entlang des Sylter Strandes gleichzeitig nach Walen Ausschau gehalten wurde. So entstanden die ersten belastbaren, statistischen Zahlen zum Kleinwaldbestand vor Sylt.

Inzwischen hatten rund um die Nordsee Walschützer und Universitäten ihre Forschungsaktivitäten in Hinblick auf die Kleinwale verstärkt. Das führte im Jahre 1994 zu SCANS, der ersten international koordinierten Erfassung von Walen in Nord-und Ostsee.

Das Ergebnis bestätigte die bereits von den lokalen Verbänden geäusserten Thesen: Vor Sylt schälte sich ein nordseeweiter „Hotspot“ für diese Tierart heraus, der eindeutig als „Kinderstube“, also Kalbungsgebiet identifiziert werden konnte. Damit landete die Verantwortung für den Schutz dieser Tierart in unseren nationalen Gewässern bei Schleswig-Holstein und letztendlich auch bei den Syltern.

Bald folgten weitere Forschungsergebnisse zu Seehunden, Kegelrobben, Hochseevögeln und Bodenorganismen des Sylter Riffs, die die Bedeutung des Seegebietes vor Sylt und Amrum für den Jahreszyklus zahlreicher Tiergruppen heraus stellten.

Die Forderung nach einem Walschutzgebiet wird formuliert

neue interaktive Infofotafeln am Walschutzgebiet auf Sylt

Info-Stele des neuen interaktiven sylter Walpfades/Foto:Koch

Info-Stele des neuen interaktive sylter Walpfades/Foto:Koch

Durch diese Fakten beschleunigt, wurden die Schweinswale zum Motor einer Forderung, die wenige Jahre zuvor niemand zu äussern gewagt hätte:

Stellt das offene Meer vor Sylt vorsorglich flächenhaft unter Schutz! Ziel: die Bewahrung als intaktes Rückzugs- Nahrungs-, Kalbungs- und Rastgebiet für Schweinswale, Robben und Hochseevögel.

Bislang war die Nordsee schliesslich nur als Badegewässer, Schifffahrtsstrasse und Fischereigebiet wahrgenommen worden. Die Gunst der Stunde wurde genutzt, mit der Novellierung des Nationalparkgesetzes im Jahre 1999 das erste europäische Walschutzgebiet, ausgerechnet vor Sylt und Amrum, auszuweisen. Als Bestandteil des Nationalparkes, erhielt es dann 2009 auch den Segen der UNESCO mit dem Siegel  „Weltnaturerbe“.

Kurz nach Einrichtung des Walschutzgebietes brach  das „Windhunderennen“ um die besten Bauplätze für Offshore Windparks los. Der zügigen Einrichtung des Walschutzgebietes  ist es zu verdanken, dass das Seegebiet vor unserer Insel bis zur 12 Seemeilen-Landesgrenze von vornherein dafür tabu war und wir auch in Zukunft keine Industrieanlagen in Strandnähe zu befürchten haben.

Alles gut- eine Erfolgsgeschichte des Naturschutzes, könnte man meinen, aber –

MIND THE GAP! Es gibt dennoch Gefährdungspotential für die Kleinwale und andere Nordseetiere:

– Die Meeresschutzgebiete des Bundes (FFH), die unmittelbar nordwestlich an das Walschutzgebiet des Landes anschliessen, wurden erst 2007 eingerichtet, Jahre nachdem der Windpark Butendiek schon genehmigt war. Der Windpark mit 80 Anlagen hat Bestandsschutz und steht etwa 19 Seemeilen entfernt der Insel. Er ist ein eklatanter Wermutstropfen im Vogelschutzgebiet „Östliche Deutsche Bucht“. Die Offshoreanlagen haben während der Bauzeit negative Auswirkungen auf die Schweinswale in ihrer Umgebung gehabt. Die Versorgung des Parkes mit sehr schnellen Transportschiffen, könnte sich permanent negativ auf die Schweinswale entlang der Schiffahrtsroute auswirken.

– Durch die Ausweitung des Nationalparkes bis zur 12 Seemeilenlinie hat sich die 150-Meter Klausel nicht aufgelöst. Der schmale Meeres-Streifen entlang der Strände, der von den Schweinswalen so gern genutzt wird, ist vor Sylt lediglich durch eine lockere Vereinbarung der Gemeinden geschützt, die hier den Einsatz von schnellen Flitzern, also Jetskis, Bananaboats, Rennbooten und ähnliches nicht dulden wollen. Vor eindeutig erkennbaren Badestränden bietet die Seewasserstrassenverkehrsordnung einen gewissen Schutz durch ein Tempolimit von 8 Knoten. Ausnahmeregelungen für Not-Einsätze und bei speziellen Regatten bleiben erlaubt.  Die Kontrollen sind dürftig und wer garantiert, dass diese Absprachen nach der nächsten Kommunalwal so bleiben?

-Untersuchungen, inwieweit sich schnelle Wasserfahrzeuge, also auch Kiter und Windsurfer auf das Verhalten von Walen und Walkälbern auswirken wurden bislang nicht in Auftrag gegeben. Demzufolge werden diese auch nicht im Walschutzgebiet reglementiert. Zu einer neuen Gefahrenquelle könnten neue motorisierte Wassersportgeräte werden, wie z.B. elektrobetriebene Surfbretter und andere Erfindungen dieser Art, die schnell Trendsport werden können und dann von Gemeinden kaum regulierbar sind.

– Das Walschutzgebiet mit einer entsprechenden Befahrensregelung ist als solches  bis heute nicht in die offiziellen Seekarten der Schiffahrt eingetragen worden. Dies soll nun dieses Jahr durch den dafür zuständigen Bund geschehen. Die neue Befahrensregelung bleibt im 150-Meter-Streifen jedoch unwirksam.Walschutzgebiet

Walgefährdende Fischerei ist im Walschutzgebiet bislang immer noch nicht gänzlich ausgeschlossen. Grund dafür ist die Zuständigkeit von Bund und EU hinsichtlich des Fischereirechtes. Das Land hat die Möglichkeit genutzt, walgefährdende Stellnetzfischerei bis zur Drei-Seemeilengrenze für alle und  bis zur 12 -Sm-Grenze für deutsche Fischer, zu verbieten. Die Internationale Fischerei kann jenseits der 3 Seemeilen Zone jedoch bislang national nicht eingeschränkt werden. Das wäre nur per EU-Verordnung machbar. Angeln und Stellnetzfischerei ist vom Strand aus weiterhin mit Lizenz erlaubt.

– Nach wie vor werden rund 100 Schweinswale pro Jahr tot am Sylter Strand geborgen-viele davon sind stark schadstoffbelastet und von Parasiten durchseucht. Deshalb müssen die Forderungen des Nordsees-Umweltschutzes weiter verfolgt werden.

– eine umfassende und angemessene Bürger-Information am Schutzgebiet blieb das Land Schleswig-Holstein der Insel bis zum Jahre 2016 schuldig. Nun soll im Frühjahr 2018 die Errichtung eines Sylter Wal-Indopfades mit hochwertigen interaktiven Stelen und Pulten direkt  am Gebiet abgeschlossen werden.

– nach wie vor fehlt ein umfassender Management- und Entwicklungsplan für das Gebiet.

– Eine ausreichende Kontrolle und Beforschung des Walschutzgebietes ist nicht gegeben.

Fazit: MIND THE GAP!

Einrichtung des Walschutzgebietes war die richtige Entscheidung zum richtigen Zeitpunkt. Sie hatte keinerlei negative Auswirkung auf touristische Belange (im Gegenteil!) und notwendige Maßnahmen des Küstenschutzes. Es bleibt aber noch viel zu tun, um Sicherheitslücken für Kleinwale und andere Tiergruppen verlässlich zu schliessen. Ein Management-und Entwicklungsplan könnte helfen, vorsorglich die richtigen Maßnahmen zum Schutz des Meeresgebietes zu ergreifen. Das käme in jedem Fall auch der Insel zu Gute, denn gute ökologische Badewasserquälität und biologische Vielfalt ist ein wichtiges Kapital.

Ein guter Schritt, der Sylt glaubwürdig als „die Insel der Nordseeschützer“ auszeichnen würde, wäre  die Übernahme einer offiziellen und engagierten Schirmherrschaft der Sylter Gemeinden und ihrer Tourismuseinrichtungen für „Wal- und Meeresschutz im 150-Meter-Streifen“. Das könnte schnell zu einer Win-win Situation für Natur und Tourismus führen, wenn  die Schirmherrschaft mehr als ein symbolisches Markenzeichen würde.

Lothar Koch

der sylter Biologe und Buchautor  war als Verantwortlicher der Schutzstation Wattenmeer zwischen 1988 und 2003 federführend im Einsatz für das Walschutzgebiet. Heute engagiert er sich weiter ehrenamtlich für die Meeressäuger u.a. als Vorstandsmitglied im Freundeskreis des Naturerlebniszentrums für Naturgewalten/List.

Infokasten

Das Walschutzgebiet
– 1999 als Teil des Nationalparkes SH-Wattenmeer eingerichtet und erstes Walschutzgebiet Europas. Zuständig ist das Land Schleswig-Holstein.
– Es erstreckt sich über 1562 qkm von der Dänischen Grenze bis südlich von Amrum und bis zur 12 Seemeilen-Landesgrenze entlang der Inselstrände 150 m entfernt der MTHW-Linie.
Schweinswale
– stehen unter strengem Schutz des Anhang II und IV der Flora-Fauna Habitat-Richtlinie der EU
– stehen über das Bundesgesetz zum Schutz der Kleinwale in Nord-und Ostsee, dem Gesetz zum Schutz wandernder Tierarten und dem EU-ASCOBANS-Abkommen der Nord- & Ostseeanrainerstaaten unter Naturschutz- und auf der Internationalen und nationalen „Roten Liste für gefährdete Tierarten“.