Stern-Zeichen

Die Ausgabe 31/2014 des Stern-Magazins widmete ihr Titelthema der Insel Sylt. sterntitelsyltHeute erschien in Stern Nummer 32 mein Leserbrief in gekürzter Fassung.
Hier die Original-Version:

Sylt: Nackt, schön, reich, partyverrückt und jetzt borderline.
Mit diesen Sylt-Klischees bemühen sich Medien seit 1980, eine tote Fassade lebendig zu halten.
Ihre gut geschriebene Sylt-Titelgeschichte kommt ja auch nicht ohne Sachs-, Playboy-, Gosch- und Sansibar- Mythos aus.
Dabei gäbe es Wichtigeres herauszukitzeln:
Bürgermeister/in gesucht! Wer holt Sylt aus seiner Ideen-Stagnation? Ob beim Thema Energiewende, Verkehr, Klimaschutz, oder Tourismus:
Sylt könnte in jeder Hinsicht Trendsetter und Modellinsel sein, denn schliesslich verbringen hier 1 Million Deutsche aus allen Regionen jedes Jahr Urlaubszeit.
Doch statt mit beispielhaften, „großen Würfen“, wie z.B. einem komplett alternativem Verkehrskonzept, einer Klima-Vorzeigeinsel, einer Wiederbelebung von authentischen Dorfstrukturen, und, und, und…
puzzeln die Gemeinden schon seit Jahren lieber klein, klein an der Breite von Fahrradwegen herum, kreieren Bauruinen und andere Flops mit großspurigen Investoren, schrauben allenfalls Energiesparlampen in Strassenlaternen und feiern eher Ballermann-Ideen wie Partyschiffe und Muschel-Wettessen, statt einer Klimawoche im Erlebniszentrum Naturgewalten Sylt.
Dabei ist doch das eigentliche Sylt, wie auch der Stern schreibt, die überwältigend schöne Naturlandschaft, umschlungen von Meer.

Lothar Koch

Der Unscheinbare

Andreas Trepte, www.photo-natur.de

Regenbrachvogel, Foto: Andreas Trepte, www.photo-natur.de

Möwen, Seeschwalben, vielleicht noch Kormorane und Sanderlinge, jene kleinen Strandflitzer- mehr Küstenvogelarten nehmen die meisten Spaziergänger auf Sylt gar nicht wahr.

Dabei flattert im Juli/August ein besonders schöner, aber doch auch unscheinbarer Watvogel durch die Sylter Dünen. Angelockt von den saftig-schwarzen Beeren der Krähenbeerenheide rastet der Regenbrachvogel in den tannengrünen Matten der Sylter Dünenlandschaft. Meist entdeckt man den braunweiss-gescheckten, gut angepassten Flieger erst mit Glück, vor allem wenn er durch freilaufende Hunde aufgeschreckt wird. Oft nicht einzeln, sondern in kleinen Trupps von 10-20 Individuen zieht er dann mit raschen Flügelschlägen vorbei. Wichtigstes Merkmal ist der lange, nach unten gebogene Schnabel. Den braucht er, wenn er Insekten aus der Salzwiese stochert, oder Würmer aus dem Watt zieht. Dort ist er jedoch leicht mit dem Grossen Brachvogel zu verwechseln, dessen Aufenthaltsschwerpunkt eher aussendeichs liegt. Der Regenbrachvogel ist etwas kleiner, der Schnabel etwas kürzer, der Bürzel kontrastreicher weiss und er besitzt den charakteristisch hellen Überaugenstreif, der dem Grossen Brachvogel fehlt. Letzterer kommt eher zur kälteren Jahreszeit auch in grossen Mengen vor,  ist aber kaum in den Dünen zu sehen. Der Regenbrachvogel macht auf Sylt Zwischen-Stop. Unterwegs von seinen schottischen, isländischen oder skandinavischen Brutgebieten nach Westafrika, locken hier die atlantischen Krähenbeeren, die es weiter südlich von Sylt und Amrum nicht mehr in nennenswerten Mengen zu finden gibt.

Meer-Ruhe für die Schweinswale vor Sylt

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Die Rammarbeiten auf der Offshore Windpark-Baustelle Butendiek 32 km westlich von Kampen werden in diesen Tagen abgeschlossen. Dies teilte Berge Olsen, Geschäftsführer des Butendiek-Konsortioms WPD auf einer Podiumsdiskussion des Erlebniszentrums für Naturgewalten am Samstag auf Sylt mit. In den vergangenen Monaten wurden 80 Monopiles vom stärksten Schwimmkran der Welt bei rund 20 Meter Wassertiefe in den Meeresboden gerammt. Schweinswale und Kampener Strandurlauber haben dann also wieder mehr Ruhe, denn man konnte in den vergangenen Wochen die Rammstösse tatsächlich als schwaches Wummern bis zur Insel hören. Laut Olsen, sei dabei der vorgeschriebene Grenzwert für die Rammlautstärke von 160 Dezibel ab 750 Meter zur Baustelle weitgehend eingehalten worden (Ab 164 Dezibel wird das Gehör der Kleinwale geschädigt).
Sylter Naturschutzverbände und der NABU hatten vorige Woche beklagt, dass durch die Bauarbeiten das Europäische Meerresschutzgebiet „Sylter Aussenriff“ erheblich entwertet wurde.

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Bis vor wenigen Tagen unter Verschluss gehaltene Flugzählungen des Bundesamtes für Naturschutz deuten nach Ansicht von Naturschutzverbänden darauf hin, dass im Juni 2014 im EU-Schutzgebiet deutlich weniger Schweinswale und Mutter/Kalbgruppen registriert wurden, als in den Vorjahren. Der Sylter Biologe Lothar Koch fordert daher für die Zukunft einen Rammstopp bei Offshore-Plattformen während der Kalbungs-und Paarungszeit der streng geschützten Kleinwale.

Dr. Kim Detloff, Meeresexperte des NABU, unterstrich erneut die Notwendigkeit der zur Zeit laufende Verbandsklage gegen die Genehmigungsbehörde BSH und die verantwortliche Naturschutzbehörde BfN:
Das Verfahren Butendiek wurde naturschutzrechtlich unsauber abgearbeitet. Industrieanlagen in Meeresschutzgebieten müssen in Zukunft zum NO-GO werden. Nun hofft der NABU, dass seine Klage wenigstens noch der wichtigen Population von dort lebenden und ebenfalls streng geschützten Stern- und Prachttaucher zu Gute kommt, und dass zukünftige Genehmigungen geltendes Naturschutzrecht einhalten.

1.Sylter Klimawoche im Erlebniszentrum Naturgewalten angelaufen

Seit gestern laufen über den Tag verteilt zahlreiche Veranstaltungen zum Thema Klimaschutz. Hier das Programm

Wichtigster Programmpunkt:

Podiumsdiskussion zur Offshore Windkraft

am Samstag um 19 Uhr/ Im Erlebniszentrum Naturgewalten oder bei gutem Wetter open air bei der Videowand am Hafen List.

Geladen ist Kim Detloff Vertreter des NABU, der gegen die Genehmigung des  Windparkes Butendiek vor Sylt klagt. Ein Vertreter der Offshore-Stiftung, der Bürgermeister von Helgoland und als Sylter Naturschutzvertreter Lothar Koch.

Um rege Beteiligung aus dem Publikum wird gebeten.

1. Sylter Klimawoche_Programm_16.-23.7

Vertreibt Butendiek Mutter/Kalb-Gruppen aus Schutzgebiet?

Befliegungskarte Schweinswale

Quelle:Sylter Rundschau/BFN

Nachdem Sylter Naturschützer vergangene Woche öffentlichen Druck über die Medien machten, hat das Bundesamt für Naturschutz nun die bislang zurückgehaltenen Daten einer turnusmässigen Kleinwalzählung herausgegeben (s. Graphik). Die Flugzählungen werden seit 2002 immer zur Kalbungs-und Aufzuchtzeit von Schweinswalen von Wissenschaftlern im Auftrag des Bundesamtes durchgeführt. Da der Aufwand für diese Zählungen gleich bleibt und Änderungen, die sich aus Wetter- oder anderen Bedingungen ergeben, herausgerechnet werden, sind nur diese Zählungen vergleichbar und statistisch auswertbar. Man braucht jedoch kein Mathematiker sein, um auf den ersten Blick zu sehen, dass es im Frühsommer 2014 rund um die Baustelle von Butendiek deutliche „weisse Flecken“ auf der Zählkarte gibt. Noch deutlicher ist der Rückgang von gesichteten Mutter/Kalb-Gruppen der geschützten Tierart im EU-Schutzgebiet Sylter Aussenriff zu erkennen. Bislang wurden dort seit 2002 bei der Überfliegen fast immer über 20 Mutter-Kalb-Gruppen registriert. In diesem Juni waren es hier  nur vier Walweibchen mit Jungtieren. Die Wahrscheinlichkeit, dass die seit April getätigten Rammungen der Windparkfundamente Wale vertrieben haben ist gross, jedoch der Zusammenhang wissenschaftlich schwer nachweisbar. Zumal sich Butendiek auf eigene Walzählungen beruft, die zu anderen Ergebnissen kommen. Diese sind jedoch bislang nicht veröffentlicht worden. Nach eigenen Angaben hält das WPD-Konsortium (Siemens und dänische Pensionsfonds) beim Bau die vorgeschriebenen Lärmgrenzen von 160 Dezibel ein. Diese sind jedoch auf die Schädigungsgrenze des Gehörs bei Kleinwalen ausgelegt. „Kein Wunder, dass die Mutter-Kalbgruppen das Weite suchen. Die Frage ist nur, wohin sie ausweichen können“, so der Sylter Biologe Lothar Koch. Schliesslich wurden im Verlauf der letzten 12 Monate mindestens 450 Fundamente von ca. 7 Windparkbaustellen ins deutsche Seegebiet gerammt. Der für die Schutzstation Wattenmeer aktive Biologe fordert daher eine bessere und übergeordnete Koordination von Bauarbeiten und ggf. einen Offshore-Rammstopp während der Aufzuchtzeit von Kleinwalen. „Keiner weiss, ob die vertriebenen Schweinswale nach dem diesjährigen Vergrämen im kommenden Jahr wieder in die Sylter Schutzgebiete zurückkehren werden oder gänzlich ausbleiben“, so Koch. Dabei sind die  Walschutzgebiete (1999 und 2008) vor Sylt ausgewiesen worden, um den Schweinswalen ruhige Rückzugsareale zu bieten. Dieser Schutzzweck wird durch die Bauarbeiten von Butendiek im Schutzgebiet Sylter Aussenriff derzeit ausgehebelt.

„Die Auflagen für Offshore-Baustellen hinken der Naturschutzforschung und den baulichen Fakten hinterher“, so Lothar Koch, „derzeit sind die wildlebenden Kleinwale und Meeresenten noch die „Versuchkaninchen“ von Wissenschaftlern, Bundesämtern und Baustellenbetreibern“