Erste Müllbox steht am Rantumer Strand

Es geht voran: Rund zehn Jahre nach dem Aufstellen von Strandmüllboxen auf den Ostfriesischen Inseln hat sich nun auch Sylt dazu entschlossen Gästen und Insulanern die Möglichkeit zu geben, auf jedem Spaziergang beim Strandreinigen zu helfen. Dazu war ein Bewusstseinswandel bei den Gemeinden erforderlich. Hiess es doch früher oft, man müsse Strandverunreinigungen vor dem Gast verbergen- heute ist Strandreinigung ja fast schon zum Breitensport geworden- Gott sei Dank. So soll Bewusstsein geschaffen werden, den Müll von vornherein zu vermeiden. Hier eine „Profi-Strandmüllbox“ am Übergang Campingplatz/Rantum.

Auf Sylt fallen pro Jahr über 600 Tonnen Müllgemisch (Zahl aus 2018) am Strand an. Das kostet die Gemeinden immense Reinigung- und Entsorgungssummen. So rechen allein die Gemeinden Sylt und Kampen grob geschätzt mit fast 230 000 Euro pro Jahr inklusive der Personalkosten. Dabei ist ein Großteil des Mülls ( mindestens 20%) gar nicht hausgemacht, sondern treibt aus nationalen und internationalen Gewässern an. Der Müll stammt meist aus Flüssen und der Großschifffahrt.  Experten schätzen, dass 20 Prozent von der Strömung herangetragen werden. „Da stellt sich uns Insulanern die Frage, weshalb eigentlich die Gemeinden Kosten für Müll tragen müssen, den sie gar nicht verursacht haben“, sagte der Vorsitzende der Sölring Foriining 2019 anlässlich eines Besuches von Robert Habeck auf Sylt. Ingwersen. Dem Grünen Bundesvorsitzenden wurde vergangenes Jahr von den Naturschutzverbänden dazu eine Liste mit Forderungen übergeben:

Forderungen “Stopp Plastik im Meer und anderswo”

zur Übergabe an Dr. Robert Habeck, den Bundesvorsitzenden von Bündnis90/Die Grünen, am 8.08.19 in Wenningstedt/Sylt

Wir appellieren an Bündnis90/Die Grünen, sich in Parlamenten und Gremien auf allen politischen Ebenen konkret für folgende Punkte in Sachen „Plastik-Flut“ einzusetzen:

Wir fordern: 

  1. Offensive staatliche Förderung von „Cradle to Cradle“ Produkten (Stichwort Positiver Fußabdruck) und Geschäftsmodellen (nicht mehr das Produkt sondern den Service kaufen/verkaufen) 
  2. Gesetzliche Vorgabe von „Cradle to Cradle“ Konzept für Plastikverbindungen 
  3. Verbot von Mikroplastik und Flüssigkunststoffen, sowie gel- oder wachsartigen Polymeren in Kosmetika, Hygieneartikeln und Putzmitteln
  4. Rasche Entwicklung und Umsetzung geeigneter Microplastikfilter in Kläranlagen.
  5. Staatliche Begrenzung der Gesamtproduktion/Verbrauch von Einweg-Plastikprodukten und solchen, die durch unschädlichere Materialien ersetzt werden können.
  6. Verbot von Einweg-Geschirr in der Gastronomie, auch im Outdoor-Bereich.
  7. Staatliche, kommunale Förderung von Spülmobilen und ähnlichen Massnahmen, die zur Plastikvermeidung beitragen.
  8. Verbot für den Einsatz von Dolly Ropes und anderen ersetzbaren Plastikgarnen in der Fischerei

Darüber hinaus wünschen wir uns: 

  1. Staatlich anerkanntes No-Plastik Label mit entsprechender staatlicher Kontrolle
  2. Mindestanteil an Recyclingplastik in Kunststoffprodukten  
  3. Müllentsorgungspflicht in Deutschen Häfen für alle Schiffe
  4. Förderung flächendeckender Einsatz von innovativen Wassermülleimern in Häfen und Hafengebieten. Entwicklung von Plastikbarrieren in Flußmündungen
  5. Durchsetzung des Verursacherprinzips auch hinsichtlich der Kosten für die Entsorgung von Strandmüll (finanzielle Entlastung von Küstengemeinden).
  6. Verbot/Besteuerung von dünnen Gemüse- und Obsttüten aus Plastik 
  7. Mehr plastikfreie Ferienunterkünfte, Hotelgastronomie und Einkaufsmöglichkeiten – Steuervergünstigungen für Plastikfreie/plastikbewusste Unternehmen
  8. Gesetzlich festgelegte Geldstrafe (z.B. 250 €) für das Wegwerfen von Zigarettenstummeln in die Landschaft 

Lothar Koch

Spargelstechen am Rantumer Strand

Manchmal wie ein Gemälde: Buhne im Seenebel

In Rantum hat das Ziehen der historischen Holzbuhnen mit schwerem Gerät begonnen. Die über vier Meter langen Eichenpfähle mit den durch Wind und Wellen verwitterten Enden erinnern wirklich an Spargel, wenn sie vom Bagger aus dem Sand gezogen werden. Kenner wissen: die Köpfe sind das Beste. So auch bei den Buhnen. Es gibt viele Sammler und Geschäftsleute, die scharf auf die dekorativen Buhnenköpe „Original vom Sylter Badestrand von ca. 1865“ wären. Oder Gartenbaufirmen, die gern die gewaltigen Findlinge hätten, die sich nun auf demLagerplatz auftürmen. Aber der Deal zwischen Land und Abbruchfirma NC ist wohl: alles gehört der Abbruchfirma.

Schade eigentlich: zum Teilhätte die Gemeinde Buhnen oder Steine dekorativ im Gemeindegebiet verwenden können. So wurde erst vor wenigen Wochen die „historische Buhne“ an der Rantumer Leuchttonne am Sandwall, mit Pfählen aus dem Baumarkt „restauriert“ statt auf die Originale aus dem Strand zu warten. Auch eine Versteigerung würden guten Zweck wäre sicherlich gut und Gewinn bringend gewesen.

Immerhin, nach Protesten von Einwohnern bleiben Rantum drei der historischen Bauwerke des Küstenschutzes aus dekorativen wie historischen Gründen erhalten.

Lothar Koch

Naturschützer erteilen Begehrlichkeiten von großen Kreuzfahrt-Reedereien im Wattenmeer eine Absage

Wegen der Einschränkungen durch die Corona Pandemie suchen große Reedereien nach neuen Zielen für ihre Kreuzfahrten in der näheren europäischen Umgebung. „Offenbar rückt jetzt auch der Nationalpark Wattenmeer mit seinen Inseln und Halligen zunehmend in den Fokus“, berichtet Katharina Weinberg, Naturschutzreferentin der Schutzstation Wattenmeer.

Erste Touren fanden bereits statt oder werden beworben. HAPAG Lloyd steuerte im Oktober 2020 die ostfriesische Insel Borkum an und auch Sylt steht auf ihrem Tourenplan. Andere Reedereien sollen ebenfalls in den Startlöchern stehen. So kündigt Hurtigruten die Gründung einer separaten Einheit für Expeditionskreuzfahrten an.

Naturschützer sehen diese Entwicklung mit Sorge. „Kreuzfahrttourismus ist kein nachhaltiges Geschäftsmodell“, sagt Dennis Schaper, Stationsleiter der Schutzstation Wattenmeer auf Sylt. Die Schiffe fahren überwiegend noch mit Schweröl und haben selbst bei Einsatz von Katalysatoren oder Alternativtreibstoffen eine schlechte CO2-Bilanz. „Dazu kommen die Auswirkungen auf Inseln und Halligen, die jetzt schon von touristischen Aktivitäten überlastet sind. Da bedarf es keiner zusätzlichen Tagesgäste“, sagt Schaper.  

Die großen Schiffe können die Kais der Nordseeinseln wegen ihres Tiefgangs nicht direkt anlaufen. Passagiere müssen mit Schlauchbooten durch den Nationalpark Wattenmeer an Land gebracht, was zusätzlich Unruhe in schützenswerte Bereiche bringen kann. „In den Gemeindekassen bleibt durch die Kreuzfahrer nichts hängen und an der kurzfristigen, aber heftigen Besucherwelle aus einem solchen Schiff verdienen nur wenige Geschäfte und Gastronomen“, beklagt der Stationsleiter.

„Wir sollten auf den Inseln im Nationalpark Wattenmeer ein Zeichen setzen und den großen Kreuzfahrtunternehmen signalisieren, dass sie hier unerwünscht sind“, fordert Schaper. Eckernförde habe es an der Ostsee vorgemacht: Der Umweltausschuss hat beschlossen, ab 2022 keine Kreuzfahrtschiffe mehr in die Bucht zu lassen.

Schutzstation Wattenmeer

C. Goetze, L. Koch & D. Schaper

Bündnis90/Die Grünen wollen dem ROV nicht zustimmen:

Das Land Schleswig-Holstein hat auf den Ruf der Insel-Gemeinden nach mehr „Dauerwohnraum für Sylter“ mit dem Vorschlag eines Raumordnerischen Vertrages (ROV) geantwortet.

Dieser wird bereits eine Weile diskutiert und soll von allen Gemeinden unterschrieben werden. Alle vier Inselgemeinden des Amt Landschaft Sylt haben bereits gezeichnet. Die Unterschrift der Gemeinde Sylt steht noch aus und soll, wenn es die Gemeinderäte am Donnerstag den 22.10 2020 auf der GV so entscheiden, kurzfristig folgen.

Die Grünen werden gegen die Unterzeichnung stimmen.

So haben wir es auch am 19.10. auf der letzten Bauausschusssitzung vor der Gemeinderratsversammlung gehalten. Vorausgegangen war eine intensive Diskussion zwischen den Vertretern des Bauausschusses, Vertretern der Kreis- und Landesbaubehörde und interessierten EinwohnerInnen der Insel.

Wie ist das zu verstehen? Wollen die Grünen etwa verhindern, dass Sylter an günstigen Dauerwohnraum kommen? Nein, leider liegen die Dinge nicht so einfach, wie sie zuweilen dargestellt werden. Unser Ziel ist es möglichst viele Insulaner auf Sylt zu halten. Wir plädieren jedoch für andere Lösungen.

Der ROV basiert auf einem Gutachten (ALP-Studie) vom Frühjahr 2020, die den Wohnraumbedarf bis 2030 auf Sylt ermittelt hat, wenn die insulare Wirtschaft sich so weiter entwickelt wie bisher.

Im Kern sind bei der ALP-Studie folgende Ergebnisse herausgekommen:

– es müssten rund 2500 kleine, familiengerechte Dauerwohnungen errichtet werden, die zu einer Netto-Kaltmiete von mindestens unter 15 Euro/qm angeboten werden müssten, besser zwischen 7 und 10 Euro Nettokaltmiete.

– es stehen aber innerhalb der Bebauungsgrenzen nur für den Bau von rund 1000 Wohnungen Potentialflächen auf der Insel zur Verfügung

– es gehen pro Jahr auf der Insel rund 90 Wohnung verloren durch Umwandlung in FeWos oder Zweitwohnsitze- Bis 2030 würde sich das auf 1068 Wohnungen addieren. Damit wäre also das Neubauvolumen auf den möglichen Potentialflächen bereits aufgebraucht. Der Bau von neuen, günstigen Mietwohnungen wird diese Umwandlung weiter beschleunigen, da die durch Umzug frei werdenden Wohnungen in der Regel oft gleich zu FeWos umgewandelt werden.

Die „Landesstrategie ROV“ erinnert somit etwas an die  Küstenschutzstrategie des Landes für Sylt: Pro Jahr verliert die Insel rund 1 Meter Substanz durch Meeresabtrag. Genau dieser Meter wird pro Jahr mit Hopperbaggern wieder künstlich vorgespült, sodass ein Fliessgleichgewicht entsteht.

Beim ROV wird jedoch nicht bedacht dass so eine „Wohnraum-Aufspülung“ nicht abgetragen wird, sondern sich abnutzt und von Jahr zu Jahr Beton auf der Insel akkumuliert.

Auch die sozialen Folgen des Ausverkaufs sind immer mehr spürbar, belegt die ALP Studie. Das bewährte Modell „Einkommen durch Vermietung im eigenen Wohnhaus“ hat über Jahrzehnte vielen Sylter Familien Wohlstand gebracht. Der kontinuierliche Abbau der traditionellen Kleinvermieter schreitet jedoch rapide voran und führt dazu, dass sich bei immer mehr EinwohnerInnen das Einkommen längst im unteren Bereich bewegt.

Was schliessen wir daraus auch vor dem Hintergrund, dass seit 2011 die Bautätigkeit auf Sylt bereits 2,5 x höher ist als in Nordfriesland und 4,2 x höher als im Land SH?

aus der ALP Studie

der ROV ist kein geeignetes Mittel um mit dem Problem Dauerwohnraum verantwortlich zum Wohle der Insel umzugehen.

– eine Unterzeichnung würde die bestehende Regelung außer Kraft setzen, dass in den Inselgemeinden (ausser Westerland und Tinnum) nur noch 10% mehr Bebauung erfolgen darf. Diese Zahl würde kurzerhand auf 20% verdoppelt.

– die Folge wäre eine weitere massive Verdichtung und Versiegelung von Flächen der Insel in allen verfügbaren Bereichen und letztendlich eine Erhöhung des „Baudrucks“ auf Naturflächen ausserhalb der Bebauungsgebiete. Angesichts der einzuhaltenden Kaltmieten, wäre auch architektonisch mit „sozialem Wohnungsbau“ zu rechnen, der bereits in der Vergangenheit das Kapital der Insel in zahlreichen Orten, nämlich die Orts- und Landschaftsästhetik drastisch beeinträchtigt hat. 

Diese Bedenken kamen in der Bauausschuss-Sitzung nun offenbar auch bei dem Bau-Kreisdirektor Jansen an, der zum Schluss ganz deutlich formulierte, dass Sylt durch den Bau von weiteren Wohnungen allein sein Problem nicht lösen könne, sondern vor allem durch einen Stopp der Umwandlung von Dauerwohnraum in Urlaubswohnraum. Allerdings schiebt der Kreis damit den „schwarzen Peter der Kontrolle“ an die Sylter, der laut ALP Studie eigentlich vom Kreis geregelt werden müsste. Dort heisst es dazu: Grundsätzlich bestehen weiterhin Probleme bei der Umsetzung, Kontrolle und Ahndung von (bau-rechtswidrigen Zuständen (z.B. Fehlnutzungen). Kontrolle und Ahndung könnte nur der Kreis Nordfriesland als untere Bauaufsichtsbehörde übernehmen, was angesichts fehlender Personalressourcen beim Kreis noch zu wenig erfolgt. Zudem ist es im Einzelfall schwierig, eine Fehlnutzung nachzuweisen. Insbesondere wenn eine Schein-Anmeldung eines Hauptwohnsitzes vorliegt.

Der Bau-Reflex ist keine Lösung

Es entsteht insgesamt der Eindruck, dass das Land auf die Problemlage der Sylter mit dem altbekannten Reflex reagiert: „Wenn Wohnraum knapp wird, muss mehr Wohnraum gebaut werden.“

Doch wie Albert Einstein schon sagte: „Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind.“ 

Vor allem ist diese Strategie, die uns ja in diese Situation gebracht hat, heute erst recht nicht mehr zeitgemäss- schließliche drohen  massive Probleme des Klimawandels und des Artensterbens- Sylt muss da hinsichtlich der Lösungsmöglichkeiten Mitverantwortung tragen. Bauen ist jedoch einer der grössten C02 Verursacher und versiegelt Natur und Landschaft. 

Es müssen also andere, verträglichere Lösungen gefunden werden, um der Wohnraumknappheit für Sylter entgegenzuwirken. 

Dazu gehört, die oben genannte Kontrolle wirksamer werden zu lassen, aber auch eine „Umprogrammierung“ unserer Denk-und Wirtschaftsweise für die Zukunft der Insel. So, wie diese Insel vor allem touristisch bewirtschaftet wird, laufen wir mittelfristig mit  zahlreichen Problemen gegen die Wand und verursachen irreversibel Schäden für die kommenden Generationen von Insulanern. Die Sylter Politik muss entsprechend umsteuern und wir Insel-Grüne würden uns vom Land einen breiteren, iressortübergreifenden Lösungsvorschlag wünschen, als lediglich einen Raumordnerischen Vertrag der Baubehörde, der der alten Logik des „mehr Bauens“ folgt.

Ein weiterer wichtiger Punkt, weshalb die Grünen gegen den ROV stimmen, ist die mangelhafte Garantie im Vertragswerk, dass die zu bauenden Dauerwohnungen auch auf ewig Dauerwohnungen bleiben. In der Diskussion konnte der Vertreter des Landes nicht hinreichend sicherstellen, dass das durch den ROV gewährleistet ist. Zu vage sind die Instrumente der Erbpacht und städtebauliche Rahmenverträge, wie die Vergangenheit auf Sylt schon vielfach gezeigt hat.

Umso bedauerlicher, dass der Vertreter der Landesbehörde ganz deutlich machte, dass der ROV, wenn er nicht von der Gemeinde Sylt unterzeichnet würde, dann eben mit den übrigen Gemeinden allein umgesetzt würde. Diese „Friss oder stirb“ Aussage könnte die Gemeinde Sylt schon als Drohung auffassen. Die Entrüstung der Einwohnerinnen auf der BA-Sitzung, dass bei all den Vorgängen keine Bürgerbeteiligung hergestellt wurde, wurde  durch diese Aussage des Landesvertreters nochmal deutlich verstärkt.

Damit nährte dieser bei vielen im Publikum auch die Vermutung, dass eben doch Kungeleien zwischen Investoren, Einzelgemeinden  und Land laufen, die ohne Rücksicht auf die Meinung der Bürger und aller Inselgemeinden durchgezogen werden sollen. 

Lothar Koch