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Grüne aus Land und Bund informierten zur Marschbahnplanung bei Besuch auf Sylt

Die Bundestagsabgeordnete Dr. Ingrid Nestle aus Itzehoe und Landtagsabgeordneter Dr. Andreas Tietze (Ex-Sylter) sind beide ausgewiesene Verkehrs- und Bahnexperten von Bündnis 90/Die Grünen. Vergangenen Freitag bereisten sie die Insel, führten Gespräche mit Bürgermeister Häckel und Vertretern der Wirtschaft, sowie dem Ortsverband der Grünen auf Sylt.

Die Kritik an der Dieselstrecke war Thema auf der Sylter Klima-Demo in 2019

Das Zentrale Thema war natürlich die Frage, ob eine Autozug-Terminal-Verlegung auf uns zu kommt und wie es mit der Modernisierung der Marschbahnstrecke voran geht.

Hintergrund ist die bevorstehende Herausgabe eines Gutachtens zur Terminal-Verlegung, das vom Land SH bei der NEG (Niebüll) in Auftrag gegeben wurde. Der Entwurf kursiert bereits. Dieses Gutachten wird jedoch von vielen unterschiedlichen Interessengruppen kritisch gesehen, da die NEG selbst Interessen auf der Insel in Sachen Güterverkehr hat und als befangen gilt.

Insofern will sich Andreas Tietze für ein weiteres Ergänzungs-Gutachten stark machen, das eine zweite Meinung zu der „umfangreichen Operation“ geben soll. Die NEG sei vom Land nach einer Ausschreibung gewählt worden, weil sie zertifiziert für solche Gutachten sei und die gute Kenntnis vor Ort habe.

Ingrid Nestle führte aus, dass die Grünen ein hohes Interesse daran haben, die Bahn bundesweit richtig, richtig gut zu machen, in der Hoffnung den innerdeutschen Flug- und Autoverkehr drastisch zu senken. Insofern wäre es aus Grüner Sicht gut, dass die Bundesregierung nun bis zu 600 Millionen Euro in die Modernisierung und Elektrifizierung der Marschbahnstrecke stecken wolle. Das würde letztendlich auch rund 5 Millionen Liter Diesel pro Jahr alleine auf unserem Abschnitt Niebüll – Westerland einsparen. Auf der Gesamtstrecke wären es über 16 Millionen Liter bzw. über 40.000 t Kohlendioxid. Jahr für Jahr. Was die Grüne weniger gut findet, ist die Tatsache, dass durch den CDU-Vorstoss aus dem vergangenen Jahr, der die Marschbahnrenovierung in ein beschleunigtes Verfahren gehievt hatte, der Bund nun mit freier Hand durchregieren und Landbesitzer an der Strecke enteignen könne- und das auch tun werde, um schnell für Besserung zu sorgen. Allerdings sei abzusehen, dass bei einer Investition solcher Größenordnung kein Verständnis bei Bund und Steuerzahlern bestünde, wenn trotz Modernisierung das Gleis in einem unzulänglichen Bahnhof (Westerland) enden würde und damit die Verspätungen auf der gesamten Strecke bis Hamburg bestehen blieben, die durch das Nadelöhr Westerland entstünden. Wenn gleich Sie auf den Einwand der Fraktionsvorsitzenden Maria Andresen, die Verspätungen gingen nicht allein auf das Konto Westerland, zustimmte.

Mit anderen Worten: Die Verlegung des Autozug-Terminals, die erforderlich sei, um den Bahnverkehr im Nadelöhr zu entzerren, ist durch die CDU-Taktik weitaus wahrscheinlicher geworden. Nun bliebe hauptsächlich die Frage, welche Variante angemessen und vertretbar sei. Eine Steigerung des Autoverkehrs durch einen neuen Terminal sehen die beiden Grünen nicht. „Die Zahlen der von Autozügen in den vergangenen Jahren transportierten KFZ haben trotz des Blauen Autozuges nicht zugenommen“, so Andreas Tietze. Wir erhoffen uns davon eher eine Reduzierung des Autoverkehrs, da die Personenzüge zwischen HH und Westerland dann richtig gut und schnell werden können“. 2025 enden die Verträge zwischen Land und Bahnanbietern. Wenn in den nächsten 1,5 Jahren die Entscheidung zur Verlegung getroffen werden könnte, wäre gegen Ende des Jahrzehnts mit einer kompletten Fertigstellung des Projektes zu rechnen.

Lothar Koch vom OV Sylt und Margot Böhm die Kreisvertreterin des OVs, merkten an, dass es nicht bei einem Gutachten bleiben könne, das „eingleisig“ die Bahn betrachten würde. Vielmehr würde eine Verlegung des Terminals zu unberechenbaren Folgen im insularen Verkehr führen. Deswegen solle an das zweite avisierte Gutachten gleich ein Mobilitätskonzept für die Insel angehängt werden, immer mit dem Ziel, individuellen motorisierten Nahverkehr zu vermindern.
„Das werden wir prüfen“, sagte Andreas Tietze, allerdings müssen dergleichen Fragen sinnvoll in das Ergänzungs-Gutachten eingebracht werden, da dafür ein gesonderter Finanztopf zur Verfügung stünde der nur auf das „Problem Autozug“ zugeschnitten sei. (Ein Extra-Gutachten für Mobilität auf Sylt könne man sonst ggf. beim Umweltministerium des Landes nachfragen.) Dabei wären die Sylter Gemeinden jetzt in der Bringeschuld, entsprechende Fragen als Antrag beim Land zu formulieren.


Ein Vorteil, den ein neuer Verladeterminal bringen könne, so Tietze, sei die Tatsache, dass darüber die Gemeinden die Hoheit hätten, statt wie derzeit die DB-Sylt Shuttle beim Bahnhof Westerland. Die Gemeinden könnten dann also Preise und Rahmenbedingungen festsetzen und damit auch an der Stellschraube Autozug mit drehen und zusätzliche Einnahmen machen. Auch über eine Reservierungspflicht der KFZ auf Autozügen könnten dann die Sylter Gemeinden bestimmen.

Lothar Koch

Ein Großprojekt in der Diskussion: Autozug-Terminal-Verlegung auf Sylt

Quelle: NEG 2018

Die grauenvollen Zustände bei der Bahnanreise nach Sylt haben im vergangenen Jahr eine seit langem schlummernde Planung stärker ins Bewusstsein gerückt: die Verlegung des insularen Autoverladebereiches, raus aus der Innenstadt Westerlands, auf die „grüne Wiese“. 

Dieses logistische Großprojekt weckt nicht spontan allseits Begeisterung, da auf der Insel bekanntlich Platzmangel herrscht und die Versiegelung von Flächen für den Autoverkehr schon ein beträchtliches Ausmass angenommen hat. Im Zweifel wünscht sich niemand eine neue Bahnstrecke vor der Haustür. Und, die wichtigste Frage, die sich Sylter Grüne und Naturschützer stellen, ist die: Geht es hier nicht einmal mehr darum, die Zu- und Abreise von Automobilen reibungsloser zu organisieren und führt das nicht zu einer Attraktivitätssteigerung zu Gunsten des MIV (motorisierter Individualverkehr); also genau dazu, was Umwelt-, Natur-, Klima-Schützer und viele andere heute nicht mehr wollen?

Die Dinge liegen etwas verzwickt:

Als im vergangenen Jahr die SMG (Sylt Marketing) mit der viel beachteten und inzwischen sogar prämierten Protestaktion „Katapult nach Sylt“ Unterschriften für eine Zweigleisigkeit der Bahn von Niebüll nach Westerland sammelte, tat sie das, weil die Zuverlässigkeit der Bahn auf dieser Strecke in den vergangenen Jahren immer schlechter wurde und man den Grund hauptsächlich darin fand, dass sowohl zwischen Niebüll und Klanxbüll, als auch zwischen Morsum und Keitum nur eingleisig gefahren werden kann. Die besagte Strecke wird gleichermassen von Personenzügen, Autozügen und Güterzügen genutzt. Dabei hat der Autozug (nach Bundesgesetz) stets Vorrang vor den Personenzügen. Das Resultat: immer drastischere Verspätungen auf der Strecke führten in den vergangenen Jahren zu erheblichen Protesten unter den Pendlern und schliesslich sogar zu hohen Strafzahlungen der Bahn an das Land Schleswig -Holstein. 

Nun läge es bei einer klimabewussten Verkehrsplanung auf der Hand, es eher den Autofahrern schwerer zu machen und den Personenzügen Vorrang im Fahrplan zu geben. Das ginge jedoch nur, wenn der Autozug zu einem „Nahverkehrszug“ heruntergestuft würde. Dann, hätte jedoch das Land die Steuerungs-Hoheit und die lukrativen Tantiemen aus der Strecke zu bekommen. Daran hat weder die Bahn AG noch der Bund ein Interesse. Deshalb wurde ein Vorstoss der Grünen in diese Richtung vor einigen Jahren durch die CDU-Mehrheit im Bundesrat abgelehnt.

Die Proteste der Pendler, die Protestinitiativen, Strafzahlungen und die Landespolitik bewirkten nun schliesslich, dass den jahrelangen Forderungen nach einer Zweigleisigkeit seitens des Bundesverkehrsministerium stattgegeben wurde. Allerdings nur für die Strecke Niebüll-Klanxbüll. Auf der Insel, so heisst es, wird es wegen der Enge und komplexen Sachlage wohl nie eine Zweigleisigkeit geben.

Die Umsetzung der Gleisarbeiten am Festland soll bis zum Jahre 2028 dauern. Notwendige Modernisierungen von Stellwerken auf der Strecke wohl bis 2035. Das heißt, bis es zu einer spürbaren Verbesserung der Situation für Zugfahrende kommt, vergehen nochmal rund zehn Jahre, wahrscheinlich mehr.

Das wäre eventuell verkraftbar, wäre danach wirklich alles gut. Aber die Eingleisigkeit auf der Insel bliebe ja! Und damit ein „Flaschenhals“ der jenseits von 2030 weiter zu Verspätungen führen würde. Und die würden sich, wie heute, auf der gesamten Strecke bis Hamburg, also für zigtausend Fahrgäste, negativ auswirken.

Deshalb sieht die Jamaika Regierung, namentlich der verkehrspolitische Sprecher der Grünen im Landtag, Andreas Tietze, eine Entzerrung von Autozug/ Güterverkehr und Personenzug auf der Insel derzeit als mögliche Lösung, das zu verhindern. Sprich: der „Flaschenhals am Königskamp“ kann nur aufgelöst werden, wenn Güter- und Autozüge bereits vorher vom Personenzug-Gleis kommen und abgelenkt werden, nämlich vermutlich am sinnvollsten auf ein Gelände des Flughafens Sylt. Dort sieht Tietze in seiner Vision einen hochmodernen „Logistik-Terminal“ entstehen, dessen Bewirtschaftung mit den neusten Technologien der Elektomobilität, Westerland und dem Rest der Insel eine Menge an Dreck, Lärm, CO2, Feinstaub und Stickoxide ersparen würde. Auch Staus in der Inselmitte könnten dann der Vergangenheit angehören.

Rund 100 000 LKW steuern Sylt jährlich mit Waren an. Post und Tausende Tonnen von Müll verlassen per LKW die Insel in der Gegenrichtung. Wäre es möglich, die Anlieferungen bereits mittels Containern in Klanxbüll auf die Bahn umzuladen, bez. gleich vom Ursprungsort per Bahn zu versenden, könnten E-LKW die Container am Terminal Sylt aufnehmen und an die Empfänger auf der Insel liefern. Die Autozüge wären so von LKW entlastet. Da es keinen „Flaschenhals“ mehr gäbe, könnten kürzere Autozüge für PKW in kürzeren Abständen fahren und so die Verladezeiten entzerren. Staus blieben aus.

Um das Terminal einzurichten wäre unter anderem die Umwandlung von Stellflächen für Privatflugzeuge, die derzeit auf der grünen Wiese am Airport Sylt liegen, zu einer ca 15 000 qm großen Parkfläche für KFZ nötig. Ausserdem müsste natürlich eine neue Gleisstrecke vom Ortsausgang Keitum nach Norden eingerichtet werden, die entlang der Kreisstrasse in Richtung Westen durch das Gewerbegebiet bis zur Feuerwehr am Flughafen führt und es müssten weitere Flächen für Verladung und Rangierung eingeplant werden.

Der Ortsverband der Sylter Grünen und viele andere sind von dieser Idee noch nicht überzeugt. Bliebe letztendlich nicht die Gefahr, dass vielmehr Autos auf der reibungsloseren Zug-Strecke nach Sylt kämen als heute (es sind bereits rund 1 Million Verladungen)?Und würden wir akuelle Probleme nicht nur verlagern? Riskieren wir nicht leichtfertig eine Versiegelung von Inselfläche, ohne genau zu wissen, ob die Pluspunkte für die Umwelt tatsächlich realisiert werden können? Und was würde mit den Flächen passieren, die heute für die Autoverladung im Innenstadtbereich genutzt werden. Würden dort weitere Bettenburgen entstehen?

Die Sylter Grünen erhoffen sich von einem seitens der Landesregierung in Auftrag gegebenen Gutachten, das ergebnisoffen verschiedene Varianten prüfen soll, mehr Fakten und realistische Darstellungen, welche Vorteile eine Terminalverlegung für die Insel und ihre Bewohner letztendlich haben könnte. Eines sollte klar sein: Wenn im Zuge dieser Großplanung nicht gleichzeitig die Verkehrslogistik auf der Insel neu geplant würde, hin zu mehr E-Mobilität, besseren ÖPNV-Angeboten, autofreien Bereichen, optimalem Radverkehr und eventuell sogar einer Inselstrassenbahn etc., also letztendlich mit dem Ziel den MIV zu senken, sollte die Insel skeptisch gegenüber dem Großprojekt bleiben.

Lothar Koch

Konkurrenzkampf der Sylt-Autozüge verpestet die Umwelt

Westerland
Es scheint verrückt: Obwohl die Nachfrage für Autotransporte hin und her über den Hindenburgdamm zwischen Sylt und Niebüll sich seit Jahren bei ca. 960 000 Fahrzeugen eingependelt hat und eher weniger als mehr wird, erhöht die DB Sylt Shuttle die Anzahl ihrer Zugfahrten drastisch. Die Frequenz soll in 2016 von 14 000 Touren auf 20 000 jährliche Abfahrten erhöht werden. Die DB Fernverkehr AG  hat extra neue Loks eingekauft. Dennoch läßt sich der Dieselverbrauch  auf der Strecke auf 3 Millionen Liter hochrechnen. Diese wirtschaftlich nicht leicht zu durchschauende „Qualitätsoffensive“ dürfte ein Verdrängungstrick im Konkurrenzkampf mit dem neuen Mitbewerber RDC sein.

Der neue Konkurrent RDC wird zusätzlich ca. 5000 Fahrten jährlich mit seinem Autozug bestreiten. Wie groß der Dieselverbrauch des amerikanischen Anbieters ist, ist nicht bekannt, aber geschätzt dürfte er bei 800 000 Liter Diesel im Jahr auf der 39 km langen Strecke  liegen. Die führt geradewegs durch den für seine gute Luft berühmten Nationalpark Wattenmeer und entlang von Wohngebieten in Niebüll, Klanxbüll, Morsum, Keitum, Tinnum und Westerland. Mit deutlich vermehrten Rangierfahrten im Bereich Westerland/Tinnum muss gerechnet werden. Derzeit fährt RDC sogar seine Dieselloks ohne Autotransport mehrmals täglich über die Strecke. „Das sollen Testfahrten sein, bis RDC bereit ist mit dem Geschäft zu starten, dienen aber wahrscheinlich auch der Auflage, daß die Firma, die den Zuschlag der Netzagentur für eine Strecke erhält, diese auch benutzen muss.So verpesten sie die Umwelt für Nix und wieder nix“, sagt ein Schalterbeamter der Bahn in Niebüll.

Schuld an der Luftverpestung sind aber nicht nur die Autozugbetreiber. Es ist auch ein Versäumnis der Politik, daß die Strecke Hamburg – Westerland nicht längst elektrifiziert ist. Dabei wirft Schleswig-Holstein pro Jahr Windstrom im Wert von 200 Millionen Euro weg, weil er nicht verbraucht werden kann. Zusätzlich führt die Eingleisigkeit der Strecke an mehreren Abschnitten zu erheblichen Problemen, die sich durch die Konkurrenzsituation im Jahr 2016 deutlich verschärfen werden. Hier wurde diesbezüglich auf der profitabelsten Strecke der Bahn (bundesweit auf den Kilometer gerechnet) bislang nicht investiert, möglicherweise auch, um sich in den vergangen Jahrzehnten Konkurrenten vom Hals zu halten. Mit dem Monopol ist nun aber Schluß.

Alle Experten prophezeihen ein großes Chaos für Westerland ab Ostern 2016 und vermuten, daß es zu noch längeren Autorückstaus auf Sylt kommen wird, die wiederum lokal das Klima des Nordseeheilbades verpesten. Auch für die normalen Personenzüge soll es durch die Vorfahrtsituation der beiden Autozuganbieter zur erheblichen Problemen kommen. Das wird bei vielen Reisenden, die durch Verspätungen der Züge frustriert werden auf der Strecke Hamburg-Niebüll möglicherweise zum Umstieg auf´s Auto führen und so die Umweltbelastung erhöhen.

LOTHAR KOCH