Seehundsituation im Wattenmeer-bitte nicht verschlimmbessern!

Alle Jahre wieder flammt an der Westküste Schleswig-Holsteins eine Diskussion um den richtigen Umgang mit

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Heuler

Seehunden auf. Mal sind es die Fischer (meist die Dänen) die vehement eine Bejagung der sympathischen Meeressäuger fordern, dann sind es wieder, wie im aktuellen Fall, Tierschützer (meist holländische Institutionen, die über deutsche Organisationen oder Einzelpersonen), die Rettungsaktionen für jeden greifbare Robbe fordern.

Um das Thema zu versachlichen, bitte ich um Aufmerksamkeit für die folgenden Zeilen:

 

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Statistik desTrilateralen Wattenmeersekretariats (NL;D;DK): Seehund-Bestandzählungen im internationalen Wattenmeer

Die groben,wissenschaftlichen Fakten:
Es gibt keine deutschen, dänischen, holländischen Seehunde, sondern eine zusammengehörige, internationale Wattenmeerpopulation zwischen Den Helder und Esbjerg. Für vor anno 1900 wird der Gesamtbestand auf rund 37 000 Tiere in diesem Gebiet geschätzt. Im Jahr 2013 wurden genau 26788 Seehunde hier gezählt. Addiert man statistisch ermittelte Korrekturfaktoren, kommen Wissenschaftler für 2013 auf einen Maximalbestand von 39 400 Seehunde, also etwa so viele, wie vor 1900.

Demgegenüber betrug der im Jahr 1974 gezählte, internationale Bestand nur ca. 4800 Seehunde. Damals Grund genug, die Jagd auf Seehunde gesetzlich auszusetzen, bevor der Bestand unter dem Jagddruck zusammenzubrechen drohte. Diese Schonzeit gilt aus Artenschutzgründen bis heute. Im Jahre 1988 und 2004 gab es zwei spektakuläre Seuchenzüge der Seehundstaupe durch den Bestand (etwa bei einem Menge von rund 12 000 bzw. 21000 Seehunden) die kurzfristig die Zahlen deutlich schrumpfen liessen (s. Diagramm).

Fazit: Es wird deutlich, dass wir im internationalen Wattenmeer derzeit einen relativ natürlichen, grossen Bestand haben, der offenbar der Kapazität dieses Lebensraumes entspricht ( geht man davon aus, dass vor 1900 noch kein sehr grosser Jagddruck herrschte, andernfalls wäre sogar noch Platz für mehr Seehunde). Zweck des Nationalparkes ist es, die natürlichen Bestände zu erlauben und zu erhalten. Dies gelingt offenbar mit der seit 1991umgesetzten, trilateralen Managementstrategie.

Die Diskussion (vereinfacht):

Was sagen die Fischer?
Fischereikreise bringen immer wieder das Argument, der Seehundbestand sei zu groß und liesse zu wenig Fisch für die Fischer über.

Gegenargument: Die Auswirkungen der Seehunde auf die Fischerei sind gering einzuschätzen: Nur ein Viertel ihrer Beute sind fischereilich interessante Arten. Fische über 20 Zentimeter Länge – also in einer Größe, wie sie von Fischern angelandet werden – machen nur 1 Prozent der Seehundnahrung aus. Ein ökologisches Grundgesetzt besagt, dass nicht der Räuber die Beute, sondern die Beute den Bestand des Räubers bestimmt. Gäbe es zu wenig Fisch im Wattenmeer, würde also der Seehundbestand automatisch schrumpfen.

Was sagen die Tierschützer?
Jede Robbe, die am Strand angetroffen wird und Anzeichen von Schwäche zeigt, sollte aus ethischen Gründen geborgen und in einer Aufzuchtstation aufgepäppelt werden. Mit heutiger Tiermedizin und Medikamenten kann fast jede Robbe gerettet werden.

Gegenargument
Die Haltung der Tierschützer ist ehrenwert, aber nur sinnvoll bei stark gefährdeten Beständen, wo jedes Individuum, welches erhalten werden kann, wichtig für den Arterhalt ist. Diese Situation ist bei Seehunden schon lange nicht mehr gegeben. Bei der heutigen Bestandsgrösse, ist es eher riskant, mit Medikamenten aufgepäppelte Tiere in einen Wildbestand zu entlassen, da das natürliche Regulationsgleichgewicht des Bestandes durch Einschleppung von Krankheitserregern und halbdomestizierten Verhaltensweisen geschwächt werden kann. Was ethisch korrekt für das Individuum sein mag, kann gefährlich für den Gesamtbestand der Art werden.

Was sagen die Jäger und viele Einheimische?
Es gibt viel zu viele Seehunde, weil keine natürlichen Feinde mehr da sind. Wenn die Robben nicht bald bejagt werden, gibt es wieder eine Seehundseuche und das schadet unserem Küsten-Image.

Gegenargument: Die bisherigen Seuchen brachen bei weitaus geringeren Bestandszahlen aus. Seehunde liegen stets eng beieinander auf den Ruhebänken, egal wieviel Platz sie haben. Es besteht also kein Platzmangel. Sollte die Kapazität des Lebensraumes für den Gesamtbestand erreicht werden (Nahrungs-/Platzmangel) regelt das ein Säugetierbestand durch Drosselung der Geburtenrate oder Auslese (meist Parasitenbefall schwacher Tiere). Top-Prädatoren, wie Orcas, spielten noch nie eine Rolle bei der Regulierung des natürlichen Wattenmeerbestandes.

Was sagen die Seehundjäger
Es ist besser die Tiere vom Leiden durch einen Fangschuss zu erlösen, als jeden Seehund in die Aufzuchtstation zu bringen. Der Erhalt des Individuums ist zur Zeit für den Gesamtbestand unerheblich. Durch langjährige Erfahrung können wir den Gesundheitszustand einer Robbe gut an äusseren Faktoren beurteilen und eine Entscheidung ohne Tierarzt treffen.

Was sagen die touristischen Gemeinden?
Wir können es uns nicht erlauben, dass täglich irgendwo am Strand ein kranker Seehund verendet. Die Urlauber sind verunsichert, das schadet unserem Image als Fremdenverkehrsgemeinde. Deshalb wollen wir, dass die tote und kranke Tiere schnell vom Strand verschwinden.

Was sagen Naturschützer? (zu denen ich mich zähle)
Wichtig ist es, die natürliche Entwicklung des Bestandes zu gewährleisten. Deswegen sollte weder von Tierschützern noch von Jägern und Fischern nennenswert in den Bestand eingegriffen werden. Wenn Seehunde an Stränden rasten wollen, sollte man ihnen das mit flexiblen Ruhezonen ermöglichen und Störungen fern halten. Offensichtlich kranke Tiere sollten nach Einschätzung erfahrener Seehundjäger fachgerecht getötet werden, wenn dies aus ethischen Gründen vertretbar ist.

Flexible Ruhezone für Kegelrobben in Hörnum

Der Autor mit einem Schild zur Robbenruhezone. Bei rastenden Wildtieren bitte 200 m Abstand halten!

Die Einlieferung in Aufzuchtstationen sollte die Ausnahme bleiben.

Jetzt freue ich mich über Ihre Meinung!

Lothar Koch

Xaver toppt Christian auf Sylt- Hörnum Odde-Plattform geschrottet

oddesturmRantum, Nikolausmorgen 2013: Das Orkantief Xaver hat die ganze Nacht mit Sturmstärken von bis zu 140 km/h vor Sylt getobt. Das Nachthochwasser soll über 3 m über NN aufgelaufen sein. Gleich nach Sonnenaufgang machen wir uns auf für einen Kontrollgang. Zunächst geht es natürlich nach Süden, um zu sehen, was an Deutschlands wildestem Naturschutzgebiet, der Hörnum Odde so abgegangen ist. Auf dem Weg dorthin kommen wir an der erst vor wenigen Jahren erbauten Feuerwehrwache Rantum vorbei. Hier mussten die Retter bereits in eigener Sache aktiv werden: fast das komplette Dach rantumhat es abgedeckt. Das liegt nun auf der Strasse und ist notdürftig mit Sandsäcken gesichert. Die Glaswolle des Daches hat sich in sämtliche Gebüsche der Umgebung verteilt und wird die Rosenhecken sicher noch bis ins späte Frühjahr zieren.

Bis auf die bei solchen Sturmtagen umgekippten Bushaltestellenhäuschen ist sonst alles Ok längs der Landesstrasse bis Hörnum. Bei den Tetrapoden beginnen wir unsere Wanderung um die Sylter Südspitze. Wir steigen hier zunächst über Berge von Latten, Balken und ganzen Holztreppenteilen, die der Stum diese nacht irgendwo zwischen Westerland und Hörnum weggespült hat. Wenige hundert Meter weiter entdecken wir bestürzt, dass die Aussichtsplattform, wo vor 5 Wochen noch das Unterfeuer stand nun komplett auf den Strand gefallen ist- zusammen mit dem mächtigen Betonfundament, das einst den Minileuchtturm trug. Der schnelle Abbau des Feuers nach dem Orkan Christian war also eine weise Entscheidung des Wasser-und Schiffahrtsamtes gewesen (wir berichteten). Die Odde-Dünen haben auf ganzer Länge erneut erheblich an Substanz verloren. An mehreren Stellen dringt das Wasser tief in die Dünenlandschaft ein.

oddeplattformWir kämpfen uns gegen das Regen/Sandstrahlgebläse um die Inselspitze und der Ostseite hoch zum Hörnumer Hafen. Hier ist alles ruhig. Zahlreiche Fisch-und Muschelkutter haben hier Zuflucht gesucht.

Von Hörnum fahren wir direkt zur Promenade nach Westerland. Dort reinigen Arbeiter des Inseltourismusservice bereits mit schwerem Gerät die Promenade von tonnenweise Sand, den die Brecher hier hochspülten. Die Pflasterung der  Promenade ist an einigen Stellen aufgerissen. Holger Weirup, zuständiger Vorarbeiter des ISTS meint: „Seit über 25 Jahren arbeite ich hier, aber so heftig wie heute hat es uns hier am Westerländer Strand noch nicht getroffen.“ Wir hangeln uns über den Aufgang Strandstrasse mit dem Wind an der „Sylter Welle“ vorbei und geraten urplötzlich in eine lebensbedrohliche Situation. der Orkanwind drückt von hinten so stark, dass wir ohne Kontrolle ins Laufen kommen und auch vor der Verkehrsstrasse nicht mehr stoppen können. Erst ein parkendes Auto gibt den lebensrettenden Halt. Gut dass gerade kein Auto vorbeikam.

promenadeZurück in Rantum blicken wir nochmal auf den Strand vor unserer Haustür. Seit dem gestrigen Nachmittagshochwasser hat sich die Lage deutlich verschlechtert: vom Übergang blicken wir nun rund 3 m eine frisch abgeschnittene Dünenkliffkante hinab. So dürfte es wohl bei den meisten Übergängen hier aussehen.

Das Ausmass der Strandschäden wird dann wohl erst morgen richtig zu begutachten sein.

Lothar Koch

Neue Foto-Reihe: NSA ist überall- Folge 1


Achtung!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Der internationale Abhörskandal weitet sich aus: Hier entdeckten wir einen Mitarbeiter des amerikanischen Geheimdienstes bei seiner täglichen Arbeit. Tatort: K4 Strand Sylt/Hörnum.

🙂

Foto: L.Koch

Die Venus von Rantum

Vor ein paar Tagen fiel mir nach dem Baden eine kleine unscheinbare Muschelschale im

Lothar Koch mit der Venus von Rantum

Spülsaum meines Rantumer Badestrandes auf. Ich traute meinen Augen fast nicht, aber ich hielt tatsächlich eine kleine Venusmuschel in der Hand.

Ich kann mich nicht erinnern, so eine schon mal auf Sylt gesichtet zu haben. Wenn doch, muss es ewig her sein. Damals auf meiner Heimatinsel Juist war das häufiger der Fall und galt dennoch als relativ seltener Fund. Venusmuschelschalen sind an Nordseestränden fast nur in der fossilen Form zu finden, also Tausende von Jahren alt.  In ganz seltenen Fällen verirrt sich vielleicht mal eine lebende Venus die auf Treibgut haftet in unsere Breiten.

Im Süden kommen Venusmuscheln noch häufig lebend vor und gelten als Delikatesse. Doch die am Nordseestrand zu findenden Schalen sehen anders aus, als die aus der Paella. Sie besitzen zwar die feinen konzentrischen Rippen, die ihnen ein edles Aussehen verleihen, haben aber meist ihren porzellanartigen Glanz verloren. Meist erscheinen sie grau oder bräunlich. Manchmal recht hell mit Farbstreifen, die wie Sonnenstrahlen quer zur Rippung verlaufen.

Aus einer Venus soll die Göttin der Liebe geboren worden sein. (Obwohl diese göttliche Venus auf dem bekannten Ölgemälde von Botticelli einer Jakobsmuschel entsteigt).

Angeblich soll der Name von der Form des Schalenschlosses herrühren, welches von Aussen an den Bauchnabel und von Innen an die Vulva jener göttlichen Frau erinnern soll.Viel Spass beim Muschelsuchen und Finden!

Lothar Koch

Tierischer Beitrag zur Möwendiskussion

Westerländer Raubritter (Archiv: Schutzstation Wattenmeer)

Westerländer Raubritter (Archiv: Schutzstation Wattenmeer)

27.7.2013
Seit einigen Wochen stopft die Sylter Rundschau, wie alle Jahre wieder, ihr Sommerloch mit der leidigen Diskussion, ob man denn nicht irgendetwas gegen die mörderischen Möwen von Westerland machen müsse.

Uns flatterte ein tierischer Leserbrief dazu in die Redaktion:

Scheiss drauf…Krächz, kia,

Die Möwe Jonathan

Ist wohl Zeit, dass ich mich mal zu Wort melde, krächz. Ich bin die Silbermöwe Jonathan

und Sylter in der 150.Generation. Beim Auspicken der Mülltonnen in der Friedrichstrasse hab ich die infamen Artikel in der Sylter Rundschau gegen uns Gefiederte gelesen. Ich hab natürlich gleich auf euer Geschreibsel geschissen. Also mal ehrlich: ohne uns Vögel gäbe es doch gar keine Schreiberlinge- ihr erinnert euch doch wohl, dass das Schreiben nur mittels Federkiel erfunden wurde!?

Glaubt ihr eigentlich immer noch an den dummen Scherz, dass ihr die Krone der Schöpfung seid? Wer hat denn bislang das größte Chaos auf diesem Planeten verursacht? Menschen oder Vögel? Ihr seid es doch, die sich in den letzten Winkel der Welt ausbreitet- und auf dem Weg haltet ihr täglich Millionen meiner Federvieh-Genossen in Konzentrationslagern, um sie barbarisch zu töten und aufzufressen.

Und auf Sylt?: Meine Vorfahren lebten hier ruhig und zufrieden. Zu Tausenden konnten wir in der weiten Dünenlandschaft brüten, bevor ihr anfingt unsere Siedlungsflächen dicht zu pflanzen. Schliesslich habt ihr auch noch die grosse Fuchsbrücke über das Watt gebaut, große Asphaltflächen angelegt und seid in Scharen in die Dünen gewandert. Seitdem blieben uns Bodenbrütern überhaupt keine sicheren Plätze mehr für unsere Küken. Den Bau der hohen Felsformationen an der Westseite, deren Höhlen ihr ja auch bewohnt, haben wir dankbar als Friedensangebot von eurer Seite angenommen- endlich wieder sichere Brutplätze- aber offenbar war das ja wohl gar nicht so gemeint!?

Und dann sollten wir wohl auch noch verhungern? Erst nehmt ihr uns den ganzen Fisch weg, den wir uns früher so mühsam gefischt haben, dann legt ihr für uns große schöne Futterplätze in Munkmarsch an, wo wir uns in den 1960iger Jahren so wohl fühlten und uns über Jahrzehnte wunderbar vermehren konnten- und dann wird plötzlich die Futterkrippe mit den duften Delikatessen dicht gemacht! Wisst ihr eigentlich wieviele von uns deswegen im folgenden Winter verhungert sind?

Gottlob gibt es ja einige unter euch Vertikalwürstchen die uns wohlgesonnen sind und immer etwas anbieten. Erst kürzlich stand doch eine aus eurer Redaktion auf der Promenade und hat mir fünf Minuten Futter hingehalten. Weil sie so ausdauernd war, hab ich ihr schliesslich den Gefallen getan und ihr aus der Hand gefressen. Und schliesslich: ihr nennt eure „schönste Sache der Welt“ nach uns Vögeln- dann seid auch so fair und lasst uns unseren angestammten Lebensraum an Meer und Strand – wir waren hier schliesslich die Ersten!

Eure Möwe Jonathan kia, kia, kiaaaaauuuuaaa