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Großwal-Fallen existieren direkt vor Sylt!

Deutsche Meeresschutzverbände fordern: Bundesministerien sollen sich effektiver für den Walschutz in der Nordsee einsetzen

Am 2.6.2025 vor Rantum/Sylt gestrandeter Zwergwal mit Krebs-Fangkorb-Reusenleine um den Kopf. Foto: M. Zimpel

Tracking Linie eines irischen Krebs-Kutters vor Sylt vom 17.6.2025, unmittelbar an der Grenze zum Walschutzgebiet des Nationalparks Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer 
Karte & AIS-Daten © VesselFinder.com | Basiskarte © OpenStreetMap contributors (CC BY-SA 2.0)

Sylt/Berlin 27.6.2025

„Die Gefährdung von kleinen und großen Walarten in der Nordsee durch Fischereigerät muss gestoppt werden“ sagt Lothar Koch, Meeresschützer auf der Nordseeinsel Sylt, der kürzlich einen in Fischereileinen verendeten Zwergwal am Rantumer Strand sichtete.

„Noch immer verfangen sich jährlich tausende Schweinswale in kilometerlangen Stellnetzen der Nordsee und neuerdings werden vor den friesischen Inseln auch Großwale durch Leinen einer internationalen Krebsfischerei gefährdet – das sogar innerhalb von Naturschutzgebieten“, ergänzt Dennis Schaper von der Schutzstation Wattenmeer.

„Fischereimethoden, die eine Gefahr für Wale jeglicher Größe darstellen, sind ebenso wie die Grundschleppnetzfischerei immer noch innerhalb von Meeres-Schutzgebieten erlaubt. Das ist ein Skandal“, so Fabian Ritter von M.E.E.R. e.V.. „Deutschland muss ein grundsätzliches Umdenken und ein stringentes, vorbeugendes Handeln bei der europäischen Fischereipolitik einfordern, um den Schutz der Meeressäuger in der Nordsee zu verbessern“, fordert der Walexperte.

Die Meeresschutzverbände Schutzstation Wattenmeer und M.E.E.R. e.V. fordern daher die beiden für Fischerei und Umwelt verantwortlichen Bundesministerien (für Ernährung & Landwirtschaft, BMEL, und für Umwelt, Klimaschutz, Naturschutz, BMUKN) auf, ihrer internationalen und nationalen Verantwortung für den Schutz der Wale und der Nordsee als Lebensraum gerecht zu werden und im Rahmen der EU-Fischereipolitik dafür zu sorgen, dass diese derart naturzerstörerische Fangmethode in deutschen Gewässern und insbesondere in Schutzgebieten wie dem Sylter Außenriff gestoppt wird. 

Hintergrund
Am 2. Juni 2025 wurde ein toter Zwergwal vor Rantum auf Sylt angetrieben. Sein Kopf hatte sich in einer Reusenleine verfangen, an der noch ein Krebsfangkorb der irischen Firma McBride Fishing hing. Recherchen ergaben nun, dass Fischereifahrzeuge dieser Firma regelmäßig vor Sylt und Borkum aktiv sind.
Ein Trackingmuster (vesselfinder.com) zeigt den genauen Standort eines der irischen Kutter am 17.6.2025 (Foto, oben) direkt außerhalb des Walschutzgebietes des Nationalparks Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer im Naturschutzgebiet Sylter Außenriff-Östliche Deutsche Bucht.

Jedes der drei Fangfahrzeuge bringt nach eigenen Angaben der Firma McBride Fishing rund 150 Taschenkrebsfangkörbe am Meeresboden zum Einsatz. Diese werden an langen Verbindungs-Seilen ausgebracht und sind am Ende mit 26 m langen Bojenleinen gekennzeichnet (s. Zeichnung unten). Seit die Schleppnetzfischerei in deutschen Meeresschutzgebieten vor einigen Jahren verboten wurde, haben nun die Krebsfischer diese Lücke entdeckt und nutzen sie offenbar um hier sicher vor anderen Fischereiarten ihre Körbe zu platzieren. Es ist also wahrscheinlich, dass der Zwergwal von Rantum (Foto: M.Zippel, ganz oben) in einer dieser Leinen direkt vor der Insel zu Tode kam.

Laut einer Studie (Richardson et al. 2019) gehen global bis zu 25 % der auf hartem Substrat gestellten Körbe verloren, was auch zur Vermüllung und zur Geisternetz-Fischerei beiträgt. Mit der gleichen Fangkorb-Methode werden in der deutschen Nordsee auch Hummer für den Feinschmeckermarkt gefangen. Eine Krebsart, die gleichzeitig aufwändig mit Steuergeldern aufgepäppelt und wieder angesiedelt werden soll, aber rechtlich keinen Schutz genießt. Es gibt also neben dem Zwergwalbeifang noch mindestens zwei weitere Gründe, diese Fischerei zumindest in den Schutzgebieten zu schließen und generell so umzurüsten, dass keine Wale in Gefahr geraten.

Die erschreckende Todesursache von Großwalen durch Fischereigerät ist in internationalen Fachkreisen nichts Neues. So zeigt eine wissenschaftliche Veröffentlichung von Russell Leaper et al. aus dem Jahre 2022, dass das Verfangen in stationären Fanggeräten (z.B. Krebskörben) weltweit eine der Hauptursachen für den Tod von Großwalen ist. In den nord-ostatlantischen Gewässern um die schottische Küste sterben daran vor allem Zwerg- und Buckelwale.

Demnach lassen jedes Jahr 6 Buckelwale und 30 Zwergwale vor der schottischen Küste ihr Leben in den Fangleinen der industriellen Krebsfischerei.
An der schottischen Westküste beträgt die geschätzte jährliche Rate der tödlichen Verstrickungen von Zwergwalen somit 2,3 % einer aktuellen Populationsschätzung. Die geschätzte Zahl der jährlichen Buckelwalverstrickungen zeigt ebenfalls einen steigenden Trend.

Laut Russell Leaper et al. (2022) wollen schottische Krebsfischer ihre Bereitschaft gezeigt haben, sich an Lösungen zum Walschutz zu beteiligen. Eine Lösung könnten Fangkörbe sein, die ohne Leinen auf dem Meeresboden platziert werden. Leider scheinen diese jedoch noch nicht im Einsatz zu sein, was dem Zwergwal von Sylt möglicherweise zum Verhängnis wurde.

Typische Konfiguration von Reusen in Schottland, bestehend aus einer Boje an jedem Ende, einer vertikalen Leine mit Gewichten auf dem Meeresboden und einer Hauptgrundleine mit Fußseilen, die die Reusen an der Grundleine befestigen, die beide schwimmen. Die Anzahl der auf diese Weise miteinander verbundenen „creels“ (Fangkörbe) variiert, aber etwa 50 bis 60 sind typisch. Zeichnung: Russel and Leaper et al. 2022

V.i.S.d.P. Lothar Koch/NaturReporter Sylt