Beiträge

Meer-Ruhe für die Schweinswale vor Sylt

IMG_0689

Die Rammarbeiten auf der Offshore Windpark-Baustelle Butendiek 32 km westlich von Kampen werden in diesen Tagen abgeschlossen. Dies teilte Berge Olsen, Geschäftsführer des Butendiek-Konsortioms WPD auf einer Podiumsdiskussion des Erlebniszentrums für Naturgewalten am Samstag auf Sylt mit. In den vergangenen Monaten wurden 80 Monopiles vom stärksten Schwimmkran der Welt bei rund 20 Meter Wassertiefe in den Meeresboden gerammt. Schweinswale und Kampener Strandurlauber haben dann also wieder mehr Ruhe, denn man konnte in den vergangenen Wochen die Rammstösse tatsächlich als schwaches Wummern bis zur Insel hören. Laut Olsen, sei dabei der vorgeschriebene Grenzwert für die Rammlautstärke von 160 Dezibel ab 750 Meter zur Baustelle weitgehend eingehalten worden (Ab 164 Dezibel wird das Gehör der Kleinwale geschädigt).
Sylter Naturschutzverbände und der NABU hatten vorige Woche beklagt, dass durch die Bauarbeiten das Europäische Meerresschutzgebiet „Sylter Aussenriff“ erheblich entwertet wurde.

walschutz_sylt_tietze1

Bis vor wenigen Tagen unter Verschluss gehaltene Flugzählungen des Bundesamtes für Naturschutz deuten nach Ansicht von Naturschutzverbänden darauf hin, dass im Juni 2014 im EU-Schutzgebiet deutlich weniger Schweinswale und Mutter/Kalbgruppen registriert wurden, als in den Vorjahren. Der Sylter Biologe Lothar Koch fordert daher für die Zukunft einen Rammstopp bei Offshore-Plattformen während der Kalbungs-und Paarungszeit der streng geschützten Kleinwale.

Dr. Kim Detloff, Meeresexperte des NABU, unterstrich erneut die Notwendigkeit der zur Zeit laufende Verbandsklage gegen die Genehmigungsbehörde BSH und die verantwortliche Naturschutzbehörde BfN:
Das Verfahren Butendiek wurde naturschutzrechtlich unsauber abgearbeitet. Industrieanlagen in Meeresschutzgebieten müssen in Zukunft zum NO-GO werden. Nun hofft der NABU, dass seine Klage wenigstens noch der wichtigen Population von dort lebenden und ebenfalls streng geschützten Stern- und Prachttaucher zu Gute kommt, und dass zukünftige Genehmigungen geltendes Naturschutzrecht einhalten.

1.Sylter Klimawoche im Erlebniszentrum Naturgewalten angelaufen

Seit gestern laufen über den Tag verteilt zahlreiche Veranstaltungen zum Thema Klimaschutz. Hier das Programm

Wichtigster Programmpunkt:

Podiumsdiskussion zur Offshore Windkraft

am Samstag um 19 Uhr/ Im Erlebniszentrum Naturgewalten oder bei gutem Wetter open air bei der Videowand am Hafen List.

Geladen ist Kim Detloff Vertreter des NABU, der gegen die Genehmigung des  Windparkes Butendiek vor Sylt klagt. Ein Vertreter der Offshore-Stiftung, der Bürgermeister von Helgoland und als Sylter Naturschutzvertreter Lothar Koch.

Um rege Beteiligung aus dem Publikum wird gebeten.

1. Sylter Klimawoche_Programm_16.-23.7

Vertreibt Butendiek Mutter/Kalb-Gruppen aus Schutzgebiet?

Befliegungskarte Schweinswale

Quelle:Sylter Rundschau/BFN

Nachdem Sylter Naturschützer vergangene Woche öffentlichen Druck über die Medien machten, hat das Bundesamt für Naturschutz nun die bislang zurückgehaltenen Daten einer turnusmässigen Kleinwalzählung herausgegeben (s. Graphik). Die Flugzählungen werden seit 2002 immer zur Kalbungs-und Aufzuchtzeit von Schweinswalen von Wissenschaftlern im Auftrag des Bundesamtes durchgeführt. Da der Aufwand für diese Zählungen gleich bleibt und Änderungen, die sich aus Wetter- oder anderen Bedingungen ergeben, herausgerechnet werden, sind nur diese Zählungen vergleichbar und statistisch auswertbar. Man braucht jedoch kein Mathematiker sein, um auf den ersten Blick zu sehen, dass es im Frühsommer 2014 rund um die Baustelle von Butendiek deutliche „weisse Flecken“ auf der Zählkarte gibt. Noch deutlicher ist der Rückgang von gesichteten Mutter/Kalb-Gruppen der geschützten Tierart im EU-Schutzgebiet Sylter Aussenriff zu erkennen. Bislang wurden dort seit 2002 bei der Überfliegen fast immer über 20 Mutter-Kalb-Gruppen registriert. In diesem Juni waren es hier  nur vier Walweibchen mit Jungtieren. Die Wahrscheinlichkeit, dass die seit April getätigten Rammungen der Windparkfundamente Wale vertrieben haben ist gross, jedoch der Zusammenhang wissenschaftlich schwer nachweisbar. Zumal sich Butendiek auf eigene Walzählungen beruft, die zu anderen Ergebnissen kommen. Diese sind jedoch bislang nicht veröffentlicht worden. Nach eigenen Angaben hält das WPD-Konsortium (Siemens und dänische Pensionsfonds) beim Bau die vorgeschriebenen Lärmgrenzen von 160 Dezibel ein. Diese sind jedoch auf die Schädigungsgrenze des Gehörs bei Kleinwalen ausgelegt. „Kein Wunder, dass die Mutter-Kalbgruppen das Weite suchen. Die Frage ist nur, wohin sie ausweichen können“, so der Sylter Biologe Lothar Koch. Schliesslich wurden im Verlauf der letzten 12 Monate mindestens 450 Fundamente von ca. 7 Windparkbaustellen ins deutsche Seegebiet gerammt. Der für die Schutzstation Wattenmeer aktive Biologe fordert daher eine bessere und übergeordnete Koordination von Bauarbeiten und ggf. einen Offshore-Rammstopp während der Aufzuchtzeit von Kleinwalen. „Keiner weiss, ob die vertriebenen Schweinswale nach dem diesjährigen Vergrämen im kommenden Jahr wieder in die Sylter Schutzgebiete zurückkehren werden oder gänzlich ausbleiben“, so Koch. Dabei sind die  Walschutzgebiete (1999 und 2008) vor Sylt ausgewiesen worden, um den Schweinswalen ruhige Rückzugsareale zu bieten. Dieser Schutzzweck wird durch die Bauarbeiten von Butendiek im Schutzgebiet Sylter Aussenriff derzeit ausgehebelt.

„Die Auflagen für Offshore-Baustellen hinken der Naturschutzforschung und den baulichen Fakten hinterher“, so Lothar Koch, „derzeit sind die wildlebenden Kleinwale und Meeresenten noch die „Versuchkaninchen“ von Wissenschaftlern, Bundesämtern und Baustellenbetreibern“

Ent-täuschung am Horizont: Windpark ist sichtbar.

Nach weit über einem Jahrzehnt der Mutmassungen hat „Butendiek“ jetzt Fakten geschaffen. Von Westerland aus ist in 32 km Entfernung deutlich der schwimmende Baukran der Bremer Konstruktionsfirma am Horizont zu sehen. Und der ist „nur“ 82 Meter hoch. Das Endprodukt, der Windpark mit 80 Mühlen besteht aus Rotoren, die rund 200 m weit ins Firmament ragen werden, also noch knapp 50 m höher als der Kölner Dom (157 m). Dabei lieben doch Sylter und ihre Gäste so sehr den freien Blick der Friesen über das weite, weite Meer: „Rüm Hart, klar Kimmung“ ist der insulare Schlachtruf seit Alters her und bedeutet etwa: Weites Herz, klarer Horizont.

Damit ist es jetzt zumindest bei klaren Tagen und in Richtung Nordwesten vorbei. Doch wer jetzt enttäuscht ist sollte sich folgendes verdeutlichen. Die Naturlandschaft Nordsee ist schon längst zu einem Industriegebiet geworden. Hunderte von Ölplattformen stehen darin herum, Zig-Tausende von Kubikmetern Sand werden jährlich aus ihr für das Baugewerbe geschürft, die Fischerei durchpflügt statistisch pro Jahr drei Mal jeden Quadratmeter Nordseeboden mit Fanggeschirr, das Militär probt in und über ihr und aus unzähligen Quellen werden nach wie vor eine Menge Nähr-und Schadstoffe in sie hineingepumpt. Ganz zu Schweigen von der Schiffahrt, die dort immer noch Substanzen verklappen darf und mit schwer abbaubarem Bunker-C Öl ihre Schiffsdiesel betreibt. Da gehört die Erzeugung von Ökostrom zu den eher harmloseren Produkten auf See.

Die Idylle am Sylter Strand war also schon immer eine verklärte Sicht von Romantikern und Urlaubern, die viel für diesen freien Seeblick zahlen. Nun werden wir alle durch die Fakten in Stahlbeton ent-täuscht. Wie schön, denn wer will schon in Täuschung leben.

Die Urbanisierung findet eben nicht nur auf, sondern auch rund um die Insel statt, wie auch die Muschelzuchtanlagen im Industriestil vor dem Hörnumer Hafen zeigen.

Da der Windpark im Bau ist und nicht mehr verhindert werden kann, kann man sich nur weiter für die Naturverträglichkeit der Bau-und Betriebszeit einsetzen. Das ist wichtig für die Schweinswale, Seehunde, Kegelrobben und viele andere Tiere die hier im Walschutzgebiet zu Hause sind. Hoffentlich lassen sie sich durch den erheblichen Baulärm unter Wasser nicht aus der Region vertreiben!

Gottlob gelang es uns in 1999, gegen zahlreiche Stimmen auf der Insel, das Walschutzgebiet durchzusetzen. Sonst wäre die Butendiek-Baustelle jetzt wohl eher nahe der 3 Sm als  der 12 Seemeilenzone und damit voll im Blickfeld der Strandgänger.

Lothar Koch