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Requiem für ein Friesenhaus- Demo in List

Fast zwei Jahre dauern nun die intensiven insularen Diskussionen über die „Kipp-Punkte“ an, die Sylt endgültig zu entfremden drohen. Angestossen wurden die für Insulaner so entscheidenden Überlegungen von dem Bürgernetzwerk „Merret reicht´s“, das sich unter dem Eindruck der Corona-Lockdowns bildete, weil in jener Zeit die Folgeschäden des Massentourismus und des Investoren-Ausverkaufs gegenüber der „Lockdown-Stille und -Leere“ besonders kontrastreich deutlich wurden.

Diese Diskussionen wurden öffentlichkeitswirksam von den Massenmedien, wie zum Beispiel, Stern, Spiegel Zeit und TV weit über die Insel hinaus ins Land getragen, sodass selbst Bayern inzwischen wissen, was mit Syltrifizierung gemeint ist.
Umso schockierender, dass es dennoch immer noch sylter Unternehmer gibt, die die Dreistigkeit besitzen, so zu tun, als gäbe es die Sorgen nicht, die einen Verfall sylter Qualitäts-Werte befürchten. Dazu gehört die Unversehrtheit der Naturlandschaft, die Lebensqualität der Inulaner, aber auch der Erhalt historischer Bauwerke.

Am 31.12.2022 hat es den 200 Jahre alten Gasthof in List erwischt. Ohne Vorankündigung stand am letzten Tag des Jahres ein Bagger vor dessen Tür und begann mit dem Abbruch, der dann ungehindert vollzogen wurde. Erst danach stellte sich heraus, dass dieser Sylter Unternehmer vorsätzlich gesetzeswidrig Tatsachen schaffen wollte, denn im Neuen Jahr war eine Einschätzung seitens des archäologischen Landesamtes geplant gewesen, um zu beurteilen, ob das Gebäude unter Denkmalschutz gestellt werden müsse.
Diesem Ansinnen kam der Besitzer, ein sylter Abfall- und Gartenbaubetrieb, nun mit Brachialgewalt zuvor. Zwar erwartet ihn eine Ordnungsstrafe (von 50 000 Euro ist die Rede), aber solche Summen schrecken Investoren auf Sylt heutzutage nicht mehr ab, denn ein Neubau an gleicher Stelle wird mehrere Millionen wert sein.
Die entrüsteten Lister und viele Insulaner mit Ihnen rufen nun mit einem parteiübergreifenden Bündnis für den 8.1. um 15 Uhr zu einer Demo gegen diese Tat auf.

Liegt im Ruhe die Kraft um Sylt aus der Misere zu holen?

Der Wirtschaftsminister des Landes Schleswig-Holstein Claus Ruhe Madsen kam nach eigenem Bekunden als „Grillgut“ auf die Insel.  Eingeladen wurde er vom Bürgernetzwerk Merret reicht, dass sich gegen den „Ausverkauf“ der Insel stark macht (www.merret-sylt.de).
Doch die Insulaner hatten offenbar nicht den Willen, den Minister zu grillen. Vielmehr setzten sich einige Spasseinlagen, wie diese, sowohl von ministerieller Seite, als auch von Seiten der Moderatorin eine Zeitlang fort, sodass sich eher eine launige Atmosphäre à la 3Nach9-Talkshow , statt einer scharfen Podiumsdiskussion entwickelte. Natürlich ging Moderatorin Susanne Matthiesen auch gleich zum „Du“ gegenüber dem Minister über:“Dänen lassen sich gern duzen“, meinte sie und der Minister C.Ruhe nickte.
Bemerkenswert seine mit einem Augenzwinkern versehene Aussage: „Wenn ihr eine Königin hättet, wie wir Dänen, hättet ihr wohl nicht diese Probleme“. Ob diese subtile Anspielung mit dem Anspruch der Bürgerbeteiligung von Merret dauerhaft zu vereinbaren ist, bleibt abzuwarten, die noch durch die ministerielle Aussage unterfüttert wurde (sinngemäss): Wenn 10 Personen zu einer Besprechung zusammenkommen, hat man am Ende meist 11 Probleme.

Dennoch wurde es zu einem gewinnenden Abend für alle Seiten.

Es wurde gelacht, sogar gesungen, gestritten, diskutiert und viel zugehört. Auf der Bühne des Friesensaals zeigte sich eine tiefenentspannt-fröhliche Moderatorin, ein ähnlich entspannter Minister, eine erstklassig argumentierende Merret Vertreterin (Birte Wieda), einen beschlagenen Herrn Mantik (Gutachter Beherbergungskonzept) und ein erfahrenes Mitglied des politisch-wirtschaftlichen Establishments der Insel (Dehoga Vorsitzer Dirk Erdmann).

Der grösste Erfolg des Abends war wohl, dass es gelang, überhaupt so viele Sylter (der Friesensaal war mit knapp 250 Gäste proppenvoll) unterschiedlichster Couleur zusammenzuholen, um über die Zukunft Sylts zu reden.

Und wenn auch vieles offenblieb, eines ist nach diesem Abend klar: Das sogenannte Beherbergungskonzept, das Nein zu weiteren Ferienwohnungen, muss kommen. Wenn die Politik der Gemeinde Sylt (die nur den Anfang machen kann) hier ihren Worten keine konsequente Handlung folgen lässt, wird unser „System Sylt“ an die Wand gefahren.
Man darf gespannt sein!

Leider hatte der lustige Minister keine ernsthaften Gaben aus Kiel für die Sylter im Gepäck. Nun hofft das Bürgernetzwerk Merret, dass sich in Kürze weitere Gespräche zwischen Merret und Minister aus dieser Diskussion ergeben werden, die zu konkreten Lösungen führen.

Ausschnitt Foto: Sylter Rundschau
Text: L.Koch/S.v.Bremen