Naturschützer vermitteln  Strandmitarbeitern Meer-Schutz-Wissen.

Sylter Naturschutzverbände schulen derzeit wieder Mitarbeiter der Kurbetriebe in Sachen Natur & Umwelt.

Rettungsschwimmer als "Augen für Meeresschutz"

Rettungsschwimmer als „Augen für Meeresschutz“

Vieles, was am Weststrand in Sachen Natur- und Meeresschutz gemacht wird, ist selbst den Strand-Mitarbeitern der Kurbetriebe nicht immer einleuchtend: Weshalb werden ganz bestimmte Vogelarten registriert und Totfunde abgesammelt und andere nicht? Wann genau sollen Seehundjäger informiert werden? Und was hat es eigentlich  mit dem Sylter Walschutzgebiet und dem Dünenschutz auf sich?

„Die Idee, mehr Umwelt-Wissen und Zusammenhänge zwischen Strandpersonal und Naturschutzmitarbeitern zu vernetzen, wurde vor einigen Jahren in die Tat umgesetzt und von allen Seiten begrüßt“, sagt Margit Ludwig von der Naturschutzgemeinschaft Sylt, und ergänzt: “Es fördert doch das Verständnis für unser Anliegen enorm, wenn Rettungsschwimmer, Strandkorbwärter und Kurkartenkontrolleure besser Bescheid wissen, was in ihrem Strandabschnitt an Meeres-und Strandschutzmaßnahmen wichtig sein könnte”.

“Das ergibt wirklich Sinn”, so die Nationalpark-Rangerin Anne Schacht, “schließlich sitzen entlang des vierzig Kilometer langen Strandes ja über hundert Mitarbeiter der Kurbetriebe, die durchaus nebenbei ein “Naturschutz-Auge” auf Strand und Meer haben könnten.”

Esther Lutz von der Schutzstation Wattenmeer in Hörnum ergänzt: “Gerade in diesen Tagen sind vor dem Weststrand viele kleine Seehunde und Schweinswale unterwegs. Im Zusammenspiel von Seehundjäger und Naturschutzverbänden sind auch die Rettungsschimmer wichtige Partner bei der Heuler-Meldung und Wale-Erfassung“.

„Das Projekt hat sich bereits in den vergangenen Badesaisons bewährt. Die Strand-Mitarbeiter können interessierten Gästen fachkundig Auskunft geben, sofern sie unsere naturschutzfachlichen Schulung mitgemacht haben“, meint Walter Körnig, der Beauftragte des NABU in List.

Dabei soll es nicht nur um Meeressäuger gehen, sondern auch um verschiedene Projekte zum Thema Plastikmüll im Meer und die Kontrolle von Strandverschmutzungen. Die Verbände erhoffen sich so eine schnellere Weiterleitung von Informationen, die von naturkundlicher oder umweltschutztechnischer Bedeutung am Strand sind. Eine gute Vernetzung vereinfacht die Kommunikation der verschiedenen Akteure und definiert genauer die Zuständigkeiten.

Von den Kurbetrieben der Insel werden die Strand-Mitarbeiter eigens für die Teilnahme an den einstündigen Info- Veranstaltungen der Verbände freigestellt. Die Teilnahme an den Info-Treffen und am Strand-Beobachtungsnetzwerk sind für die Mitarbeiter natürlich freiwillig.

Für jede Gemeinde werden außerdem wieder Informationsmappen mit  Infomaterialien geschnürt, die den Mitarbeitern an den Stränden zur Verfügung stehen.

Lothar Koch, Der NaturReporterSylt,

für die Schutzstation Wattenmeer eV., die Naturschutzgemeinschaft Sylt e.V., den NABU, die sylter Nationalpark-Rangerin

 

Nationalparkthemenjahr 2018: „Muscheln und Schnecken“ , Folge 4

100.000 Muschelarten gibt es auf der ganzen Welt, nur 15 davon im Nationalpark Wattenmeer. Trotzdem spielen die Weichtiere mit der harten Schale eine zentrale Rolle in diesem Ökosystem. Ihre wöchentliche Filterleistung entspricht dem gesamten Wasservolumen des Wattenmeeres, sie sind also eine große biologische Kläranlage. Anlässlich des Themenjahres „Muscheln und Schnecken“ wird Biologe Rainer Borcherding monatlich über die Welt der Weichtiere im Nationalpark Wattenmeer berichten.

 

Junge Miesmuscheln auf einem Polypenstock

Junge Miesmuscheln auf einem Polypenstock

Im Juni können aufmerksame Watt- und Strandbesucher winzige dunkle Krümel entdecken, die an fädigen Algen oder buschigen Polypenstöcken haften. Es sind junge Miesmuscheln, die mit einer Größe von einem drittel Millimeter zum Bodenleben übergegangen sind. Zunächst haben sie einige Wochen als Ei und Larve frei schwebend im Plankton zugebracht. Dann wachsen ihnen kleine Kalkschalen, und sie machen sich auf die Suche nach einem geeigneten Untergrund. Ein kleiner Schleimfaden, der etwa zehnmal so lang wie die Minimuschel ist, dient den Müschelchen als Anker. Allerdings sind die Jungtiere wählerisch: sie bevorzugen feinbuschige Rot- und Grünalgen, die sie vermutlich am „Geruch“ unter Wasser erkennen. Ältere Miesmuschelklumpen oder auch buschige Polypenstöcke können ebenfalls als Ansiedlungssubstrat dienen. Hier sitzen die winzigen Muscheln für einige Wochen, um dann – aus noch unbekanntem Grund – erneut umzuziehen. Danach finden sie sich in dichten Gruppen zusammen und bilden in Seegraswiesen oder Prielen neue Miesmuschelbänke.

Seesterne, Krebse, Vögel und Muschelfischer stellen diesen etwa erbsengroßen Jungmuscheln nach, so dass ihre Zahl oft schnell abnimmt. Gerade in Schleswig-Holstein ist die Ausdehnung der Miesmuschelbänke auf den Wattflächen seit dem Jahr 2000 um etwa 90 Prozent zurückgegangen. Offenbar ist der Fraßdruck der Feinde höher als die Vermehrungskraft der Miesmuschel. Auch nach zwei oder drei Jahren, wenn die Miesmuscheln schon fünf bis sieben Zentimeter groß sind, sind sie noch wichtige Futtertiere für tauchende Eiderenten oder – auf dem Watt – für Silbermöwen und Austernfischer. Die Miesmuschel ist eine Schlüsselart im Wattenmeer, die viel Plankton filtert, die Biomasse in Form von Muschelbänken bilden kann und ein wichtiges Beutetier für vielerlei andere Tiere ist.

Miesmuscheln werden im Wattenmeer intensiv genutzt und vor allem in den Beneluxstaaten viel gegessen. Nordfriesische Miesmuscheln sollen dabei besonders schmackhaft sein.

Nach langjährigen Konflikten wurde die Miesmuschelnutzung auf vier der 14 Gezeitenbecken von Schleswig-Holstein begrenzt und erhielt im Gegenzug das MSC-Ökosiegel. Nun wird noch nach Wegen gesucht, einen ausreichenden Teil der frei im Wasser schwebenden Muschellarven zur Ansiedlung für die Muschelkulturen zu gewinnen. Milliarden der sandkorngroßen Miesmuscheln sind derzeit wieder im Watt vorhanden – wer weiß, was aus ihnen wird…

 

Rainer Borcherding, Schutzstation Wattenmeer

Wer darf Sylt das Wasser reichen?Aussagen von EVS und VEN widersprechen sich.

Wie sicher ist eine ökologisch vertretbare Trinkwasserversorgung auf Sylt  in Zukunft? Naturschützer warnen vor Übernutzung.
Wasserversorger irritieren mit krass gegensätzlichen Verlautbarungen.

Im Sommer 2017 warnte die EVS in einer offiziellen Antwort auf eine Anfrage der Grünen (und weiterer Parteien) an die Gemeinde Sylt noch, dass die Wasserversorgung in fünf Jahren mit den bestehenden Brunnen knapp werden könnte. Erst vor wenigen Monaten bestätigte der Leiter der EVS noch diese Haltung, ja machte sie dringlicher, in einem Referat bei der Naturschutzgemeinschaft Sylt(s. folgenden Artikel).
In den vergangenen Wochen rund um die Kommunalwahl erschienen in der Sylter Rundschau jedoch plötzlich eine Stellungnahme und ein Artikel in denen EVS und VEN (Wasserversorger der Norddörfer) derlei Befürchtungen weit von sich wiesen und die Naturschützer der Panikmache bezichtigten.Der Leiter der VEN sprach gar von traumhaften Bedingungen beim Sylter Trinkwasser. Einer Bitte an die Sylter Rundschau, diese Diskrepanz durch sorgfältige, journalistische Recherche aufzuklären, wurde bislang nicht nachgekommen. Das macht die Angelegenheit für den Bürger eigentlich nur noch bedrohlicher: Inwieweit können wir Aussagen dieser Firmen, die eine unserer wichtigesten Ressource verwalten noch trauen und wer kümmert sich noch engagiert um die objektive Bewertung von Informationen?*

*Nachtrag vom 13.6.:Die Rundschau berichtet nun: SHZ-Artikel zum Thema

Dünenheide im NSG Hörnum Odde

Empfindliche Dünenheide. Flora und Fauna braucht einen hohen Grundwasserspiegel.

Hier der Bericht aus dem Vortrag der EVS bei der  Naturschutzgemeinschaft:

Im Frühjahr lud die Naturschutzgemeinschaft Sylt in Braderup zu einer Vorstandssitzung den Leiter der EVS, Georg Wember und seinen Trinkwasser-Experten Karl Dettmer ein, um etwas über den Stand der Trinkwasserversorgung auf Sylt zu erfahren. Die Nutzung des Süßwasserreservoirs unter der Insel ist nicht nur lebenswichtig für alle Bürger, sondern auch von ökologischer Bedeutung für Tiere und Pflanzen in Heiden und Dünen, da diese von anstehendem Grundwasser direkt abhängig sind.

Warnungen aus der Grundwasserblase
Die beiden Experten erläuterten anhand von Grafiken die aktuelle und zukünftige Versorgungslage der Insel mit Trinkwasser, das aus 16 Brunnen der EVS gefördert wird und einigen weiteren der VEN (Versorger der Norddörfer).

Die Warnungen, die sich aus dem Vortrag ableiten liessen, waren nicht zu überhören: So führte Herr Dettmer aus: “ Die Wasserversorgung auf Sylt ist auf Dauer nicht gewährleistet, da sich jederzeit Probleme ereignen können, die zur Schliessung von Brunnen beitragen könnten“. Dazu gehören Salzwassereinbruch, Schadstoffbelastung, besonders im Hauptbrunnenfeld unter dem Flughafenareal und aktuell, die Verseuchung des Bodens mit Chlorkohlenwasserstoffen aus einer ehemaligen Reinigung in Westerland. Wegen letzterer sind derzeit bereits Brunnen in ihrer Leistung deutlich heruntergefahren, um die Gifte nicht ins Trinkwasser zu ziehen. Im Bereich des Fliegerhorstes ist mit zahlreichen Altlasten aus dem Krieg und Flugbetrieb der vergangenen achtzig Jahre zu rechnen, die besonders mobilisiert werden könnten, wenn nun, wie bereits geschehen und weiter geplant, Flächen entsiegelt werden (Abriss alter Gebäude und Betonflächen). Das alles ist besonders relevant, weil die Experten ausführten, dass derzeit weniger als 20% Brunnenreserve vorhanden ist, um im Notfall auszugleichen.

Immer mehr Menschen verbrauchen Wasser auf Sylt
Die Verbrauchszahlen an Trinkwasser steigen von Jahr zu Jahr mit steigenden Menschenmassen auf der Insel. Die Personenzahl die sich an Spitzentagen auf der Insel aufhält, beläuft sich nach den Berechnungen der EVS auf 207.500 Menschen die maximal 12.700 qm Wasser pro Tag allein im EVS -Versorgungsgebiet verbrauchen. Die reale Zahl läge auf der gesamten Insel vermutlich noch höher, möglicherweise bei 230 000 Menschen, so Dettmer.

Dass die Sylter Wasserversorgung mit den bestehenden Brunnen und „wenn keine weiteren Hotelbauten hinzukommen“(EVS) nur noch für etwa 5 Jahre gewährleistet sei, hatte die EVS im vergangenen Sommer bereits auf eine Anfrage der Grünen im Umweltausschuss bekannt gegeben. In deren Antwort hiess es, dass seit 2013 die Trinkwasserförderung auf der Insel um fast 230 000 m3/Jahr angestiegen sei. Bis 2019 rechne die EVS mit einem Anstieg um knapp 400 000 m3/Jahr auf 2.500 000 qm. Die technischen Möglichkeiten der Wasserentnahme werden von der EVS auf 2,8 Millionen m3/Jahr geschätzt, wenn alle 16 verfügbaren Brunnen voll betriebsbereit sind.
Und, so Wember und Dettmer unisono,: „Es gibt weit und breit, keine „Nachbarn“ die der Insel Trinkwasser in den erforderlichen Mengen liefern könnten, auch nicht am Festland“. Die Folge wäre also die weitere Exploration von Brunnenfeldern, die in der Dünenlandschaft des NSG Nordsylt/Listland vorgenommen werden müssten.

Ökosystem Dünenheide in Gefahr
Laut Dr. Roland Klockenhoff, dem Vorsitzer der Naturschutzgemeinschaft Sylt, könnte sich das jedoch fatal auf zahlreiche geschützte Pflanzen- und Amphibienarten in der Sylter Dünenlandschaft auswirken und letztlich auch für die Sylter EinwohnerInnen. Die Gefährdung der Wasserversorgung mit den existierenden Brunnen sei auch eine Folge des unbegrenzten Baubooms unter einer fragwürdigen Wachstumsphilosophie der Tourismusindustrie, so Klockenhoff. Letztes Beispiel dafür sei die Genehmigung eines weiteren Großverbrauchers in List, der Hotelanlage Lanserhof.

Laut Biologe Rainer Borcherding von der Schutzstation Wattenmeer ist Sylt  einer der

Laichgebiet von seltenen Kreuzkröten: Nasses Dünental bei Rantum

Laichgebiet von seltenen Kreuzkröten: Nasses Dünental

wichtigsten natürlichen Lebensräume der Kreuzkröte in Deutschland. Deutschland ist nach EU-Recht verpflichtet, die Kreuzkröte zu erhalten.
„Die Frage ist daher nicht, ob man den Krötenbestand weiter schwächt, indem man Wasser aus den Dünen pumpt. Die Frage muss vielmehr sein, wie man die
Lebensbedingungen der Kröten im Listland verbessert“, so Borcherding.

Wasserentnahmen sind nach Landes-, Bundes- und Europarecht im Listland
heutzutage unzulässig, da auch die Pflanzen und Tiere der feuchten
Dünentäler höchstgradig selten und gefährdet sind. Es ist daher
vorstellbar, dass sogar die EU-Umweltverwaltung an einer Wasserentnahme im
Listland Anstoß nehmen und einschreiten würde. Auch Naturschutzverbände wären bereit, Klage einzureichen.

Auf die Frage eines Vorstandsmitgliedes der NSG an die beiden Herren der EVS, inwieweit sie diese Warnungen denn auch mit Nachdruck öffentlich machen würden, antwortete EVS Leiter Wember, dass das nicht die Aufgabe der EVS sei. Die Aufgabe der EVS sei einzig und allein die stetige Gewährleistung der Trinkwasserversorgung. Um die Interpretation der Zahlen, die die EVS ermittelt und die politische Implementierung von Massnahmen,  müssten sich andere kümmern.

 

Lothar Koch

 

Schöpferisches im Keitumer Schöpfwerk

Sonderveranstaltungen im Alten Schöpfwerk in Keitum: „Natur triff Kultur“IMG_1311

 „Unsere Sonderveranstaltungen richten sich an alle, die gleichermaßen an Natur und Kultur interessiert sind und wir freuen uns auf fünf exklusive Veranstaltungen im Keitumer Schöpfwerk“ sagt Esther Lutz von der Schutzstation Wattenmeer.

Seit März 2018 können interessierte Gäste die neue Nationalparkstation im Alten Schöpfwerk in Keitum am Deich besuchen und bestaunen. Anlässlich des Eröffnungsjahres starten nun ab Juni fünf exklusive Sonderveranstaltungen in der gemütlichen Vogelwärterstube bei Tee und Kerzenschein.

28.6. Lesung und Diskussion
Den Auftakt macht der Sylter Meeresbiologe und Autor Lothar Koch am 28. Juni um 20:15 Uhr. Er  liest Passagen aus seiner durchgeknallten Insel-Utopie „SYLTopia“  und beantwortet Fragen rund um die Sylter Politik. „SYLTopia“ ist eine transformative Reise ins Sylt des Jahres 2050 – eine Utopie, stets entlang des wahrscheinlich Möglichen.

09.08. Beobachten und Zeichnen
Am 09. August gibt es gleich zwei Events im Schöpfwerk: von 14- 18 Uhr sind alle Laien und Nicht-Laien zu einem Workshop eingeladen in dem der eigene Blick für´s Detail geschärft werden kann. Unter der Leitung der Künstlerin Nathalie Lutz können alle Teilnehmer*Innen die Natur beobachten, zeichnen und auf sich wirken lassen.

09.08. Singen und Texten
Um 20:15 Uhr wird es dann bunt und musikalisch. Die Freiwilligen der Schutzstation Wattenmeer präsentieren auf der kleinen Vogelwärterbühne ihre Singer-Songwriter Talente, denen Sie bei einer Tasse Tee lauschen können.

16.08. Lesung und Diskussion
Am 16. August um 20:15 Uhr wird Edda Raspé von der Naturschutzgemeinschaft Sylt aus der beeindruckenden Biografie der Sylter Umweltaktivistin Klara Enss vorlesen und über aktuelle Möglichkeiten des Engagements für Sylter Natur und Umwelt sprechen.

19.09. Vogelstimmen und Spezialwissen
Während der Hochsaison des Vogelzugs können Sie am 19. September um 18:30 Uhr bei „Vogelstimmen und Ambiente“ einen informativen und stimmungsvollen Abendspaziergang am Nössedeich mit professionellen Ornithologen erleben.

Zu allen Veranstaltungen, die Sie am besten per Fahrrad besuchen,werden heiße und kalte Getränke serviert und eine Spende von 12€ erbeten. Der Erlös kommt zu 100% der Schutzstation Wattenmeer zu Gute.

Jahrtausende alte Sylter Kulturstätte in Gefahr

die Tinnumer Biike im Schnee Foto: L.Koch

Tinnumer haben offensicht keinen Sinn für die Bedeutung der eigene Geschichte.

Das mindestens 2000 Jahre alte, archäologisch bedeutende Insel-Wahrzeichen  „Tinnum Burg“ droht in seiner Gesamtwirkung beschädigt zu werden.


Hintergrund ist die Notwendigkeit, die alte Tinnumer Feuerwache, die nicht mehr ausreicht, um im Brandfall rechtzeitig alle Gebäude des Ortes zu erreichen, durch eine neue Feuerwache südlich des Bahndammes zu ergänzen. Auf der Suche nach möglichen Bauplätzen hat sich der Ortsbeirat Tinnum auf eine Naturfläche versteift, die bislang eine wichtige Blickachse auf die Tinnum Burg freilässt.

Es gehört zum Schutz prähistorischer Bauwerke, dass nicht nur die Substanz des Denkmals, sondern auch das zugehörige Umfeld erhalten bleibt. (Man stelle sich vor, die Pyramiden von Gizeh stünden inmitten von Wohnblocks-dort ist es bereits bald soweit gekommen!). Da spielen Blickachsen und Freiräume eine wichtige Rolle. Genau diese drohen jetzt durch die neue Feuerwache zugebaut zu werden. Besonders pikant dabei ist die Tatsache, dass diese Fläche bereits als Baugrundstück für Wohnungen seitens des Landes freigegeben war, dann aber die Genehmigung aus Naturschutzgründen zurückgezogen werden musste. Eine notwendige Feuerwache, für die es keinen Alternativstandort gibt, könnte hier  jedoch das Naturschutzrecht aushebeln. Die Gemeinde hat nun neun mögliche Alternativ-Grundstücke geprüft. Aus verschiedenen Gründen (meist hohe Ankaufskosten) fallen sieben Flächen aus. Damit bleibt als Ausweichstandort für den Bau der Feuerwache nur ein Grundstück übrig: der Flaggenplatz nahe des Bahnüberganges Königskamp. Dort stehen auf einer grünen, gemähten Wiese zahlreiche Fahnenmasten zur Flaggenparade.

Trotz eines ApellTinnum Burg Kartes des Sylter Heimatvereines an den Tinnumer Ortsbeirat und Statements von ausgewiesenen Experten der Sylter Geschichte, wie der Gästeführerin und Autorin Silke von Bremen, will der Ortsbeirat den Flaggenplatz nicht zu Gunsten der „Burgfläche“ für den Bau der Feuerwache hergeben.

Nun sollte man meinen, das archäologische Landesamt würde einschreiten und dem Possenspiel ein Ende bereiten-leider weit gefehlt: das Land hat die Möglichkeiten der Gemeinde Sylt zusätzlich geschwächt, die Blickachse freizuhalten. Das Amt bezieht sich auf eine vor Jahren erteilte, fehlerhafte Genehmigung, die in dem Bereich zu einem Bauwerk führte und argumentiert nun, man müsse aus Gründen der Gleichbehandlung nun erneut ein ungeeignetes Grundstück genehmigen.

Der Bürgermeister der Gemeinde Sylt verweist auf seine Pflicht, den Brandschutz sicher zu stellen und gleichzeitig auf die Massgabe, den Ortsbeiräten größtmöglich entgegen zu kommen. Fazit: sollten die Tinnumer selbst ihr wichtigstes historische Bauwerk einer billigen Flaggenparade opfern wollen, wird die Gemeindeverwaltung dem nicht im Wege stehen. Entscheiden muss jedoch der Gemeinderat, der sich erst Ende des Monats neu konstituiert. Es bleibt zu hoffen, dass bis dahin alle Kräfte auf den Tinnumer Ortsbeirat einwirken, denen etwas an der kulturhistorischen Bedeutung der Tinnum Burg liegt.

Kommentar vom Naturreporter

Fusion ein Flop?

Es ist verflixt: Vor zehn Jahren wurde die Fusion zahlreicher Ortsteile beschlossen, weil die Bürger den ehrenamtlichen Gemeinderäten der kleinen Orte nicht mehr zutrauten, die richtigen Entscheidung im Sinne der ganzen Insel zu treffen. Auslöser waren Entscheidungen einzelner Kleingremien, die bspw. zum Thermendesaster in Keitum und zum Dorfhotel in Rantum führten. Nun haben wir eine professionelle Gemeindeverwaltung und stehen erneut vor einem Dilemma. Man sieht die Unvernunft, aber traut sich sich nicht gegen das Votum eines Ortsbeirates zu entscheiden, auch weil die Fusion generell unter einem schlechten Ruf leidet.

Hünengräber haben kaum eine Lobby

der Ringwall der Tinnum Burg wird zunehmend überwuchert

der Ringwall der Tinnum Burg wird zunehmend überwuchert

Meines Erachtens konnte es mit der Tinnum Burg nur deshalb soweit kommen, weil die Gemeinden zu wenig für den Erhalt und die Präsentation der alten historischen Stätten auf der Insel tun. Bei der Tinnum Burg ist es für alle sichtbar, die dort spazieren gehen: Der Wall wird von Bäumen und Sträuchern bereits überwuchert. Bis auf einen Gedenkstein und ein lieblos aufgestelltes Blechschild deutet nichts auf die Bedeutung des Bauwerkes hin. Selbst viele Sylter wissen nicht, was es mit diesem Ringwall auf sich hat. Ähnlich ist es auch um zahlreiche Hünengräber der Stein- und Bronzezeit bestellt. Dabei haben die Gemeinden die gesetzliche Pflicht, sich um die Pflege dieser Stätten zu kümmern. Ganz nebenbei wäre die professionelle Präsentation auch hilfreich für einen nachhaltigen Tourismus, der sich ebenfalls nicht um das Thema kümmert und stattdessen zunehmend auf Grossevents setzt, die alles andere als nachhaltig sind.

Lothar Koch