40 Jahre Schutzstation Wattenmeer auf Sylt

Das Norwegerhaus der Schutzstation Wattenmeer

Das Norwegerhaus der Schutzstation Wattenmeer

In kleiner, unauffälliger Runde verstrich heute ein Doppeljubiläum der Schutzstation Wattenmeer auf Sylt: 40 Jahre am Standort Hörnum und Einjähriges für die neue Arche Wattenmeer, die vergangenes Jahr in die ehemalige katholische Kirche des südlichsten Inseldorfes gebaut wurde. Wegen des 50ig-jährigen Vereinsbestehens, das vergangenes Jahr größer zelebriert wurde, war der Vereinsvorstand wohl „feiermüde“. Man beliess es bei einem Tag der offenen Tür ohne Presse und Auflauf von Inselprominenz.

Eigentlich schade, hätte die alte „Bretterbude“ mit dem Schriftzug Schutzstation Wattenmeer und dem Indianerpfahl davor, wie das „Norwegerhaus“ neuerdings abschätzig genannt wird, doch mehr liebevolle Aufmerksamkeit verdient.
Immerhin leisteten dort seit 1974 hunderte von Zivildienstleistende und Praktikantinnen ihren engagierten Dienst für den Sylter Naturschutz und die pädagogische Arbeit mit Tausenden von Kindern aus den anliegenden Schulerholungsheimen.

Die Wirkung des Dienstes im Hörnumer Steintal war für die jungen Leute lebensprägend. In seinem  Diavortrag zur Historie berichtete Ex-Hörnum Zivi Rainer Borcherding (nun seit 18 Jahren hauptamtlicher Biologe bei der SW) heute auch, wie viele der Hörnumer Zivis inzwischen in hochrangigen Naturschutzpositionen als Biologen oder Verwaltungsfachleute gelandet sind.

Aber auch die Aussenwirkung der Hörnumer Station war überdurchschnittlich: Von der Aktion Braderup 8:01 1 Kopiealten „Bretterbude“ gingen zwischen 1988 und 2000 wesentliche Ideen und Impulse für die  naturschutzpolitische Arbeit der gesamten Naturschutzgesellschaft aus. Das lag zum Einem, daran, daß durch das erste Seehundsterben im Sommer 1988, Sylt zum Zentrum der Aufmerksamkeit des Nordseeschutzes wurde und zum Zweiten, daß ich dort, statt in der Geschäftsstelle in Rendsburg, im selben Jahr als erster hauptamtlicher Biologe meinen Dienst antrat. Da ich auch mit der Funktion des Verbandssprechers betraut wurde und die gesamte Medienarbeit von Hörnum aus aufbaute und durchführte, geriet die Schutzstation Sylt nicht selten bundesweit in die Schlagzeilen.

Dauerhafte Akzente wurden auch durch zwei Naturschutzprojekte gesetzt, die von hier aus koordiniert wurden: Das Kegelrobben-Schutzprojekt und das Projekt zum Schutz der Schweinswale. In beiden Fällen wurde von der Hörnumer Schutzstation aus wichtige Pionierarbeit geleistet, da beide Meeressäugerarten vor der Öffentlichkeitsarbeit dieser Projekte den Bundesbürgern und größtenteils sogar den Einheimischen weitgehend unbekannt waren. Die erste Pressemitteilung zur Sichtung lebendiger Schweinswale vor Sylt schrieb ich im November 1989 auf einer rostigen „Gabriele“ Schreibmaschine im Holzbüro des Norwegerhauses. Sie machte via Dpa bundesweit Schlagzeilen. Hunderte von Aktivitäten folgten, die schliesslich 1999 ganz wesentlich zur Einrichtung des ersten Walschutzgebietes Europas, ausgerechnet vor den Inseln Sylt und Amrum beitrugen.

Von Sylt aus startete ich mit motivierten Zivis zu vielen Aktionen, die teilweise bis nach Holland, Dänemark und England führten, um für internationalen Nordseeschutz zu agieren. Sämtliche Landesumweltminister statteten uns in Hörnum einen Besuch ab, von zahlreichen Promis aus Politik, Funk und Fernsehen, gar nicht zu reden. Das Wesentliche war der Charme des Hauses: eine Mischung aus Skihütte, Vogelwartromantik, Pfadfinderlager und Aktionscamp.

Norwegerhaus, wir haben dich geliebt! du bist wahrscheinlich die letzte Schutzstation alten Schlages und hast bald gänzlich ausgedient!?

Noch steht die alte Bretterbude und wird derzeit zu 80% als Unterbringung für Mitarbeiter genutzt (20% als Bernsteinwerkstatt). Die Nordsee-Ausstellung ist in die 100 m entfernte Arche umgezogen. Dort lohnt sich ein Besuch- sie setzt sich wohltuend von anderen Einrichtungen der Insel ab.

Was die SW Hörnum leider nicht mehr ausstrahlt, ist der Enthusiasmus und der Biss in aller Öffentlichkeit mit bunten Aktionen für Forderungen des Naturschutzes zu kämpfen-aber das liegt wohl zum einen an Bremsblöcken in der Verbandsverwaltung und zum anderen  auch am allgemeinen Zeitgeist. Derzeit ist wieder mehr naturkundliche Bestimmungsarbeit gefragt. Ein Grund, weshalb ich der Station die Replik eines umfassenden Schlüssels zur Identifikation von Algen der Nordsee zum 40.Geburtstag geschenkt habe (British Seaweeds-ein uraltes, aber sehr genaues Standardwerk).

Ich wünsche der Schutzstation weitere gute Jahrzehnte auf Sylt und stets eine fitte Naturschutztruppe, die etwas bewegen will.

Lothar Koch
(Stationsleiter von 1988-2003)

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