Naturschutz auf Sylt, Folge 4: Die Geestheide auf Sylt – eine alte Kulturlandschaft



In einer Serie stellt die Naturschutzgemeinschaft Sylt und die Söl’ring Foriining das Thema „Natur auf Sylt“ in seiner ganzen Bandbreite in der Sylter Rundschau dar. Erschienene Artikel werden auf natuerlichsylt.net veröffentlicht und archiviert. Es werden Institutionen und Vereine vorgestellt und auch  Menschen, die sich für die Sylter Natur einsetzen.

In der vierten Folge gibt Margit Ludwig, Geschäftsführerin der Naturschutzgemeinschaft Sylt e.V. einen Überblick über die Geestheiden der Insel Sylt.

 

Weg durch die Braderuper Heide

Weg zwischen Braderuper Heide und Wattenmeer

Heiden gehören zu den am stärksten bedrohten Lebensräumen in Schleswig-Holstein. Waren um 1850 noch ca. 17 % der Landesfläche von Heiden bedeckt, liegt ihr Anteil heute landesweit unter 0,5 %, davon fast 50 % allein auf der Insel Sylt. Aber auch hier sind die Geestheideflächen in den letzten Jahrzehnten deutlich geschrumpft.
Von der ehemals großflächig zusammenhängenden Heidelandschaft zwischen Kampen und Keitum ist neben kleineren Beständen in Morsum und am Flugplatz Westerland die Braderuper Heide als größter Komplex erhalten geblieben. Alle Flächen unterliegen dem Naturschutzrecht und sind darüber hinaus als Naturschutz- bzw. FFH – Gebiet besonders geschützt. Auf diese halbnatürlich vom Menschen geprägten Flächen, eine Heide-Pflanzengesellschaft mit der starken Präsenz der lila blühenden Besenheide (Caluna vulgaris), soll im Bericht eingegangen werden.

Nach der letzten Eiszeit (Weichsel), die vor ca. 10.000 Jahren endete, hatten sich auf den Altmoränen (Geest) weiträumige, nährstoffarme Sandböden gebildet, auf der sich Wälder entwickeln konnten. Um fruchtbaren Ackerboden und Platz für Felder zu schaffen, begannen die Menschen der Jungsteinzeit (ab 2.5000 v. Chr.) mit der Brandrodung des Urwaldes und mit Wanderfeldbau. Auf den aufgegebenen Brandflächen breiteten sich als Primärstadium der Sukzession Heidekrautgewächse aus, welche viel Licht benötigen, aber mit nährstoffarmen, sauren Böden zurechtkommen. Erstmals tauchten in Schleswig- Holstein größere Heideflächen ab dem frühen Mittelalter auf.

Geestheiden sind somit Teil der historischen Kulturlandschaft, die in der Regel durch vermehrten Holzeinschlag und Übernutzung entstanden sind. Im Rahmen der traditionellen „Heidewirtschaft“ wurden die Heiden früher durch Plaggenhauen, Beweidung oder Mahd regelmäßig genutzt, auf Sylt bis in die Nachkriegszeit. Das vom Lebenszyklus der Besenheide abhängige „heidetypische Aussehen“ ist so erhalten geblieben. Im Rahmen der Plaggenwirtschaft wurde die nährstoffreiche Humusschicht der oberen Bodenhorizonte (Plaggen) abgetragen und mit Mist vermengt auf die Felder und Wiesen zur Düngung gegeben. Dieser Vorgang wurde im Abstand mehrerer Jahre immer wieder auf denselben Flächen wiederholt, wobei es nach und nach zu einer Übernutzung kam, die die Regenerationszeit der Heideflächen verlängerte. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts erreichten die Heideflächen Schleswig Holsteins ihre größte Ausdehnung, danach gingen sie durch das Aufkommen von Dampfflug und Dünger im Rahmen der Intensivierung der Landwirtschaft kontinuierlich zurück.

Viele oft auch kleine Heideflächen befinden sich auf Sylt größtenteils noch in Privatbesitz. Heideflächen auf dem Flugplatzgelände sind im öffentlichen Besitz der Gemeinde Sylt, die übrigen gehören häufig Privateigentümern. Als Überbleibsel der Allmende gibt es in den Norddörfern die Losinteressentschaften. Früher befanden sich Teile der Geestheideflächen im Gemeinschaftsbesitz („Allmende“) wobei jeder Dorfbewohner über unterschiedlich viele Anteile am Heideland verfügte. Die Anzahl an „Losen“ bestimmte, wie viele Tiere ein „Interessent“ auf der Allmende weiden lassen durfte. Ursprünglich hing die Zahl der „Lose“ vom Besitz an Pferden ab, die für das Pflügen der Äcker bereitstanden.
Auf Dauer sind Geestheiden heutzutage nur durch gezielte Pflege in ihrer typischen Ausprägung zu erhalten. Dafür besteht daher eine besondere Verantwortung.

Aufgrund seiner hohen landschaftlichen Vielfalt und Naturnähe sind die Geestheiden

Raupe der Grasglucke

Raupe der Grasglucke

Lebensgrundlage einer charakteristischen Tier- und Pflanzenwelt von landesweit herausragender Bedeutung.
Fast die Hälfte der 95 im Gebiet nachgewiesenen höheren Pflanzenarten wird auf der Roten Liste für seltene Arten geführt. Besonders hervorzuheben sind dabei die Vorkommen von Arnika, Geflecktem Knabenkraut, Lungenenzian und der Niedrigen Schwarzwurzel.

Orchidee: Knabenkraut

Orchidee: Knabenkraut

Heilpflanze Arnika

Heilpflanze Arnika

Zu den charakteristischen Tierarten der Heideflächen gehören neben Hasen, Kaninchen und Fuchs die mehr im Verborgenen lebenden Zwerg-, Erd- und Feldmäuse, sowie Waldeidechsen und Kreuzkröten. Darüber hinaus findet man unter den weit über 1000 verschiedenen Insektenarten 219 Käfer-, 84 Spinnen- sowie 5 Heuschreckenarten.
Des weiteren bieten die Heiden einer vielfältigen Vogelwelt das ganze Jahr über geeignete Lebensräume. Sie sind Brutplatz für Feldlerchen und Wiesenpieper. Daneben nutzen viele gefiederte Gäste und Durchzügler die Heiden und Trockenrasenflächen zur Rast und Nahrungssuche. Die Bestandsrückgänge der letzten Jahre sind auch auf die Gefährdung der Brutplätze durch Überflutung, vor allem aber auf Störungen durch Spaziergänger und freilaufende Hunde zurückzuführen. Der allgemeine Rückgang bereitet Sorgen.

Steinschmätzer

Steinschmätzer

Ein besonderer Schwerpunkt der Arbeit der Naturschutzgemeinschaft Sylt e.V. ist der Erhalt der Geestheideflächen. Sie betreut die Naturschutzgebiete Morsum Kliff mit 43 ha seit 1977 und die 137 Hektar große Braderuper Heide seit der Unterschutzstellung 1979 im Auftrag des Landes Schleswig-Holstein. Dank ihres Einsatzes haben der Verein und dessen Mitglieder bereits umfangreiche Pflegemaßnahmen auf den Weg gebracht. Ziel ist es, die Heideflächen vor Überalterung zu bewahren und Verbuschung zu verhindern. Damit werden die Artenvielfalt und der besondere Charme dieser Landschaft erhalten. Ohne regelmäßig wiederkehrende Eingriffe verbreiten sich nach einiger Zeit Gehölze, die sich langsam zum Wald entwickeln. Dieser Vorgang ist ein natürlicher Prozess, der durch die heutzutage erhöhte Stickstofffracht über den Regen noch gefördert wird.

Die Pflegemaßnahmen umfassen die extensive Schafbeweidung, das Mähen, Brennen und

Heidschnucken als Pflegemassnahme

Heidschnucken als Pflegemassnahme

Plaggen von Heideflächen. Der Fraß der Schafe regt bei der Besenheide das Wachstum neuer Triebe an. Bei der derzeit über 500 Tiere umfassenden Schafherde, die von April bis Oktober auf den Sylter Geestheideflächen ihrer Arbeit nachgeht, handelt es sich um eine norwegische Rasse, der Norsk Spaelsau. Es sind robuste, genügsame Tiere, die es auch schon in dieser Region gab, lange bevor Sylt zur Insel wurde. Sie werden nun als Wanderschafherde eingesetzt, halten sich tagsüber in zwei Schichten in den Heideflächen zum Grasen auf und verbringen den Rest der Zeit in ihrem „Nachtpferch“, wo sie ihr Futter wiederkäuen, es sich quasi ein zweites Mal durch den Kopf gehen lassen. Die Schafherde wird von den Sylter Gemeinden und vom Land finanziert.

Das Plaggen von Heide- und Grassoden beseitigt die Vegetationsdecke mit der Rohhumusschicht und lässt den Lebenszyklus neu beginnen. Maschinelles Abtragen oder Schälen der oberen Vegetationsschicht ahmt das frühere Plaggen von Hand erfolgreich nach. Dies ist die effektivste Maßnahme, die Verjüngung von Heideflächen zu fördern. Das Heidekraut entwickelt sich dabei aus der Saat, die viele Jahrzehnte im Boden überdauerte und auf ideale Bedingungen „gewartet“ hat. Bearbeitete Flächen sind derzeit in Kampen südlich der Kupferkanne, beim Parkplatz zwischen Kampen und Braderup und in Braderup bei Up die Hiir zu sehen. Es braucht einige Jahre Geduld, bis auf der Fläche im Spätsommer wieder eine lila Blütenpracht gedeiht.
Soll eine Heidefläche abgebrannt werden, geschieht dies in enger Zusammenarbeit mit

Pflegemassnahme: kontrolliertes Abbrennen alter Heide

Pflegemassnahme: kontrolliertes Abbrennen alter Heide

den Gemeinden, den freiwilligen Feuerwehren und unter Mitwirken eines Spezialisten, der im Legen kontrollierter Feuer geübt ist. Das Abbrennen von Heideflächen erfolgt, ebenso wie das Plaggen, auf Flächen, die in der Regel nicht grösser als ein Hektar sind. Für das Brennen von Flächen muss der Boden gut abgetrocknet sein. Windstärke, Windrichtung und Jahreszeit bestimmen den Tag des Brennens außerhalb der Brut- und Setzzeit. Schneller, aber nicht so effektiv sind die Mahd von Heideflächen und das Entnehmen von Bäumen und Büschen mit der Wurzel, das sogenannte Entkusseln. Dies bewahrt die Heide nicht vor Überalterung. Durch die beschriebenen Pflegemaßnahmen werden den Heideflächen also Nährstoffe entzogen und ein Chaos simuliert, wie es in früheren Jahrhunderten praktiziert wurde. Die Arbeiten erfolgen in der Regel im Winter zwischen Oktober und Anfang bis Mitte März.

 

Margit Ludwig, Geschäftsführerin der Naturschutzgemeinschaft Sylt e.V.