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Wer löst das Rätsel des Seehundssterbens?

toter seehundWieder sterben an der Küste hunderte von Seehunden und keiner weiss genau warum. Mindestens 350 Tiere wurden in Schleswig-Holstein bislang geborgen, davon die meisten an der Wattenmeerküste, hauptsächlich auf Sylt und Amrum.

Krankheitsauslösend waren 1988 und 2002 die Viren des Seehundstaupe-Erregers, die letztendlich jeweils rund 20 000 Tieren das Leben kosteten. Jetzt, im Herbst 2014, kann der Krankheitsverlauf von den zuständigen deutschen Veterinären offenbar immer noch nicht eindeutig zugeordnet werden. Die Dänischen Ämter teilen mit, dass es sich diesmal nicht um die Seehundstaupe, sondern wohl eher um Influenza, also Grippeviren handeln würde. In diesem Fall wahrscheinlich Vogelgrippe-Viren, die nicht ganz ungefährlich für Hunde und Menschen sind (deshalb kranke Tiere nicht anfassen!).

Allen drei Seuchenzügen ist jedoch eines gemeinsam: jedes Mal wurde der Beginn des auffälligen Robbensterbens bei der kleinen Insel Anholt, mitten im Kattegat der dänischen Ostsee registriert.
Das kann doch kein Zufall sein! Zu erwarten wäre doch vielmehr, dass sich eine Seuche von einem Gebiet mit hoher Tierdichte in die Hauptrichtung der Meeresströmung ausbreitet. Bei den Seehund-Seuchenzügen ist es aber offenbar genau umgekehrt: Das Sterben beginnt in der von Seehunden relativ dünn besiedelten Ostsee und kriecht dann gegen den Haupt-Nordseestrom die Küste von Nord-Fünen ins dicht besiedelte deutsche Wattenmeer herunter.

Wieso das Seehundsterben nun schon das dritte Mal in Folge wieder bei Anholt losging und weshalb es überhaupt zu den Ausbrüchen der Hundestaupe kam, ist nie genau geklärt worden. Die Veterinär- und Nationalparkämter scheinen sich mit der Dokumentation der Sterbezahlen und des Seuchenverlaufes zufrieden zu geben, anstatt wirkliche Ursachenforschung zu betreiben. Etliche Hypothesen dazu kursieren schon seit 1988: Immunsystemschwächung durch zu hohe Schadstoffbelastung der Seehunde, Viren-Einschleppung durch arktische Sattelrobben oder Nerzfarmen, u.a.m.
Die Schutzstation Wattenmeer hatte deshalb schon 2002 die Einrichtung einer internationalen, wissenschaftlichen „Sonderkommission Seehundsterben“ gefordert, um Virusseuchen unter den Robben von Nord-und Ostsee in Zukunft gar nicht erst aufkommen zu lassen. Diese Forderung ist nun aktueller denn je!
Eine „SOKO-Seehundsterben“ sollte den Anrainerstaaten – schon aus ethischen Gründen – ausreichende Forschungsmittel wert sein. Zudem bedeutet jede Seehundseuche den Tod vieler heimischer Publikumslieblinge, verursacht eine Menge Entsorgungskosten und dämpft möglicherweise die Urlaubsfreude an betroffenen Küstenorten.

 

Lothar Koch

Xaver toppt Christian auf Sylt- Hörnum Odde-Plattform geschrottet

oddesturmRantum, Nikolausmorgen 2013: Das Orkantief Xaver hat die ganze Nacht mit Sturmstärken von bis zu 140 km/h vor Sylt getobt. Das Nachthochwasser soll über 3 m über NN aufgelaufen sein. Gleich nach Sonnenaufgang machen wir uns auf für einen Kontrollgang. Zunächst geht es natürlich nach Süden, um zu sehen, was an Deutschlands wildestem Naturschutzgebiet, der Hörnum Odde so abgegangen ist. Auf dem Weg dorthin kommen wir an der erst vor wenigen Jahren erbauten Feuerwehrwache Rantum vorbei. Hier mussten die Retter bereits in eigener Sache aktiv werden: fast das komplette Dach rantumhat es abgedeckt. Das liegt nun auf der Strasse und ist notdürftig mit Sandsäcken gesichert. Die Glaswolle des Daches hat sich in sämtliche Gebüsche der Umgebung verteilt und wird die Rosenhecken sicher noch bis ins späte Frühjahr zieren.

Bis auf die bei solchen Sturmtagen umgekippten Bushaltestellenhäuschen ist sonst alles Ok längs der Landesstrasse bis Hörnum. Bei den Tetrapoden beginnen wir unsere Wanderung um die Sylter Südspitze. Wir steigen hier zunächst über Berge von Latten, Balken und ganzen Holztreppenteilen, die der Stum diese nacht irgendwo zwischen Westerland und Hörnum weggespült hat. Wenige hundert Meter weiter entdecken wir bestürzt, dass die Aussichtsplattform, wo vor 5 Wochen noch das Unterfeuer stand nun komplett auf den Strand gefallen ist- zusammen mit dem mächtigen Betonfundament, das einst den Minileuchtturm trug. Der schnelle Abbau des Feuers nach dem Orkan Christian war also eine weise Entscheidung des Wasser-und Schiffahrtsamtes gewesen (wir berichteten). Die Odde-Dünen haben auf ganzer Länge erneut erheblich an Substanz verloren. An mehreren Stellen dringt das Wasser tief in die Dünenlandschaft ein.

oddeplattformWir kämpfen uns gegen das Regen/Sandstrahlgebläse um die Inselspitze und der Ostseite hoch zum Hörnumer Hafen. Hier ist alles ruhig. Zahlreiche Fisch-und Muschelkutter haben hier Zuflucht gesucht.

Von Hörnum fahren wir direkt zur Promenade nach Westerland. Dort reinigen Arbeiter des Inseltourismusservice bereits mit schwerem Gerät die Promenade von tonnenweise Sand, den die Brecher hier hochspülten. Die Pflasterung der  Promenade ist an einigen Stellen aufgerissen. Holger Weirup, zuständiger Vorarbeiter des ISTS meint: „Seit über 25 Jahren arbeite ich hier, aber so heftig wie heute hat es uns hier am Westerländer Strand noch nicht getroffen.“ Wir hangeln uns über den Aufgang Strandstrasse mit dem Wind an der „Sylter Welle“ vorbei und geraten urplötzlich in eine lebensbedrohliche Situation. der Orkanwind drückt von hinten so stark, dass wir ohne Kontrolle ins Laufen kommen und auch vor der Verkehrsstrasse nicht mehr stoppen können. Erst ein parkendes Auto gibt den lebensrettenden Halt. Gut dass gerade kein Auto vorbeikam.

promenadeZurück in Rantum blicken wir nochmal auf den Strand vor unserer Haustür. Seit dem gestrigen Nachmittagshochwasser hat sich die Lage deutlich verschlechtert: vom Übergang blicken wir nun rund 3 m eine frisch abgeschnittene Dünenkliffkante hinab. So dürfte es wohl bei den meisten Übergängen hier aussehen.

Das Ausmass der Strandschäden wird dann wohl erst morgen richtig zu begutachten sein.

Lothar Koch

Robbensterben: Die große Angst vorm toten Meer

Historischer Rückblick vom Hamburger Abendblatt 20.7.2013

Die täglichen Bilder vom Robbensterben führten vor 25 Jahren zur längsten Menschenkette des Nordens. Abendblatt-Redakteurin Irene Jung erinnert daran, was die Aktion bewirkte.

Trotz des bewölkten Himmels ist es ein warmer Sonntag – angenehmes Sylter Strandwetter. Aber nach Baden ist am 24. Juli 1988 nur wenigen zumute. In Westerland stehen Plakate: „Unsere Nordsee – lasst sie leben!“ Gegen 12 Uhr haben sich von List bis Hörnum mehr als 30.000 Menschen – Einheimische und Badegäste – aneinandergereiht. Eine Hubschrauberbesatzung registriert über 38 Kilometer die erste und längste Menschenkette, die Norddeutschland bis dahin gesehen hat.

Pastor Christoph Bornemann hat seinen Gottesdienst an die Westerländer Konzertmuschel verlegt. „Unsere Umwelt ist krank“, predigt er, „immer mehr Menschen leiden an Allergien, Pseudokrupp oder Krebs, und jetzt sterbe nach dem Wald auch das Meer.“ Bornemann mahnt: „Einschnitte und Abstriche an Gewohnheiten sind unumgänglich, wenn wir wollen, dass auch unsere Kinder noch am Strand toben und im Wald spazieren gehen können.“ Auch auf dem Festland sowie auf Föhr gibt es an diesem Sonntag Protestaktionen, auf Amrum bilden Hunderte am Strand den Schriftzug „Rettet unsere Nordsee“. Insgesamt sind mehr als 100.000 Demonstranten unterwegs.

Naturschützer, die Grünen und die engagierte Wenningstedter Bürgermeisterin Klara Enss

Frühgeburt eines Seehundes Vorbote des Seehundsterbens 1988 (Foto S.Menzel)

hatten Flyer verteilt und auch die Sommertouristen zum Mitmachen mobilisiert. „Das war wirklich eine unglaubliche Aktion“, erinnert sich der Biologe Lothar Koch, damals Sprecher der Schutzstation Wattenmeer auf Sylt. „Sogar Bürgermeister, Kurdirektoren und Geschäftsleute nahmen teil. Das war eine neue Qualität. Vorher hatten sie uns Naturschützer immer gedeckelt, wenn wir auf Ölreste oder Plastikmüll am Strand aufmerksam machten. Dann hatte es geheißen, das ist geschäftsschädigend.“

In der Badesaison 1988 aber konnte niemand mehr wegsehen. Schon im April hatte man bei Seehunden in der westlichen  Ostsee und dann auch in der Nordsee vermehrt Fehlgeburten und lebensschwache Jungtiere beobachtet. Anfang Mai waren alle Jungtiere des Jahrgangs gestorben. Mitten in der Saison wurden überall an der Nordseeküste auch ältere verendete Seehunde angespült – im August allein in Schleswig-Holstein 500 pro Woche.“Eine so dramatische Entwicklung hatten weder die Experten noch die Öffentlichkeit bis dahin je erlebt“, sagt Koch. „Die Behörden waren völlig überfordert, zumal es schwierig war, die verseuchten Kadaver zu entsorgen. Das Seehundsterben war über Monate ein Top-Thema bis in die Fernsehnachrichten.“ Später, im Dezember 1988, zeigte eine vorläufige Bilanz: Mehr als 18.000 verendete Seehunde wurden in den Anrainerstaaten registriert, davon 5820 an Schleswig-Holsteins und 1100 an Niedersachsens Nordseeküste. Die rätselhafte Seuche reduzierte den Wattenmeerbestand von Holland, Deutschland und Dänemark um 60 Prozent.

An der Tierärztlichen Hochschule Hannover forschten Wissenschaftler im Sommer fieberhaft nach der Ursache. Ergebnis: Es war das Seehundstaupevirus („phocine distemper virus“, PDV), das die Atmung der Tiere angreift, ihr Immunsystem schwächt und sie innerhalb von zwei Wochen tötet. Mysteriös bleibt bis heute, warum diese Epidemie – wie auch eine weitere im Jahr 2002 mit sogar 21.700 verendeten Seehunden – ausgerechnet auf der dänischen Ostseeinsel Anholt ihren Anfang nahm. Umweltschützer vermuten, das habe mit den dortigen Nerzfarmen zu tun. Virologen halten dagegen, dass in den Nerzbeständen schon seit Langem keine Staupe mehr aufgetreten sei. Weil Seehunde weite Strecken zurücklegen, breitete sich die Epidemie durch Kattegat und Skagerrak schnell in die Nordsee aus.

„Für uns war damals klar, dass die Staupeepidemie mit der Meeresverschmutzung zusammenhängt“, sagt die Goldschmiedin Edda Raspé, 1981 Mitbegründerin der Sylter Grünen. „1980 hatte ein Gutachten für die Bundesregierung schon alles genau beschrieben: die Schadstoffbelastung mit FCKW, Schwermetallen, Quecksilber, PCB, die Folgen für Meeressäuger, Fische, Krabben. Das hat uns die Augen geöffnet.“ In der Nordsee wurden Giftmüll und Dünnsäure verklappt, ölverschmutzte Bilgenwässer und Schlacken abgelassen. 1980 hatte Greenpeace mit spektakulären Aktionen dagegen protestiert und zentnerweise missgebildete Fische vor das Bayer-Werk in Brunsbüttel gekippt. Die 80er wurden zum Jahrzehnt der erbitterten Kämpfe um Umweltschutz, im Meer wie an Land.

Berndt Heydemann, Biologe und Umweltminister im Kabinett von Björn Engholm (SPD), ließ die Kläranlagen des Landes umrüsten. 1990 wurde die Dünnsäure-Verklappung in der Nordsee verboten. Eine Weile lang hielt die Umweltbegeisterung auch auf Sylt an, Geschäftsleute musterten Lösemittel, PCB- und FCKW-haltige Produkte aus und diskutierten über die Abschaffung von Plastiktüten. Zu einer „Umwelt-Vorzeige-Insel“, wie der örtliche Unternehmerverein damals beteuerte, ist Sylt leider nicht geworden. Immerhin: „Das Seehundsterben war die sichtbare Bestätigung für die rücksichtslose Meeresverschmutzung“, sagt Lothar Koch. „Es hat die ganze Region aktiviert. Ich glaube sogar, ohne die damalige Betroffenheit wären wir mit einigen Umweltstandards nicht da, wo wir heute stehen.“

von Irene Jung, Hamburger Abendblatt

Gasleck bei Bohrinsel weit weg von Sylt

Um die Mittagszeit des 25. März 2012 kam es an der Elgin Wellhead Platform in der Nordsee zu einem Leck an einem der Bohrlöcher. Durch dieses Leck strömt nun unkontrolliert Methangas aus. Die Besatzungen dieser Plattform und weiterer Oilriggs in der Umgebung wurden evakuiert. Eine mehrere Meilen weite Sperrzone ist um die Gasplattform gelegt, weil eine Explosion befürchtet wird. Greenpeace warnt schon lange davor, dass die Gas- und Ölförderung unkontrollierbare Risiken birgt.

Eine unmittelbare Gefahr für die Umwelt besteht im Moment nicht, sagt Kai Britt, Sprecher von Greenpeace. Die Explosionsgefahr ist das größte Problem für die Ölarbeiter vor Ort, weshalb sie auch sofort evakuiert wurden.

Elgin ist eine Förderplattform für Erdöl und Erdgas des Ölkonzerns Total. Sie befindet sich etwa 240 Kilometer östlich von Aberdeen (Schottland) und rund 550 km nordwestlich von Sylt. Die Wassertiefe in diesem Bereich beträgt 93 Meter, die Lagerstätten aus Sandstein befinden sich aber circa 5000 Meter unter der Meeresoberfläche. Mit hohen Drücken von 1100 bar und Temperaturen von 190 Grad Celsius mussten zur Erschließung der Lagerstätten zahlreiche technische Schwierigkeiten überwunden werden.

Es zeigt sich wieder einmal mehr, dass Anlagen wie Gas- oder Ölplattformen nicht unfallfrei betrieben werden können. Aber auch beim täglichen Betrieb dieser Anlagen in der Nordsee fließen jährlich 10.000 Tonnen Öl ins Meer, so Britt.

Greenpeace hat in der Vergangenheit bei Flügen über der Nordsee dokumentiert, dass auch im normalen Betrieb – ohne Zwischenfall – Öl austritt. Die durch Öl- und Gasplattformen verursachte Verschmutzung ist aus der Luft deutlich in Form von Ölteppichen sichtbar. Bei der Förderung eines Gemischs aus Öl, Gas und Wasser bleibt das sogenannte Produktionswasser übrig. Dieses Wasser wird ins Meer geleitet – mitsamt der Restmengen an Öl. Die enthaltenen Schadstoffe können so in die Nahrungskette gelangen und sich in Meereslebewesen anreichern.

Ölkonzerne nehmen Zerstörung wertvoller Ökosysteme für mehr Profit in Kauf

Auf der Elgin Wellhead Platform werden die geförderten Rohprodukte aufbereitet und von dort aus über Pipelines zur Küste transportiert. Laut Aussagen von David Hansworth, Sprecher von Total, kann es sein, dass für das Verschließen des Lecks längere Zeit benötigt wird. Total hat bereits seine Notfallpläne für Ölunfälle aktiviert. Und auch Shell trifft entsprechende Vorsichtsmaßnahmen: Wegen der austretenden Gase wurden 120 Personen von den fünf Meilen entfernten Plattformen Shearwater und Hans Deul evakuiert. Bei einem Unfall 1988 in diesem Gebiet zerstörte ein Feuer die Plattform Piper Alpha. 167 Leute kamen dabei ums Leben.

Ölkonzerne dringen zur Gewinnung von Rohstoffen in immer schwieriger beherrschbare Gebiete vor. Tiefseebohrungen waren bereits ein großer Schritt in die falsche Richtung. Aber der Wettlauf ums Öl geht weiter: Shell plant in diesem Jahr mit Ölbohrungen in der Arktis zu beginnen. Ein Ölunfall in dieser Region hätte katastrophale Folgen für das hochsensible und einzigartige Ökosystem.

Umweltaktivisten sprachen von einem „Bohrloch der Hölle“, da der Gasdruck in dem beschädigten Feld ungewöhnlich hoch und dadurch der Austritt schwer zu stoppen sei. Die norwegische Umweltgruppe Bellona sprach von einem Horrorszenario. „Das Problem ist außer Kontrolle geraten“, sagte Bellona-Chef Frederic Hauge. Bevor die Arbeiter auf der Plattform in Sicherheit gebracht worden seien, hätten sie sich bereits 14 Stunden erfolglos um eine Eindämmung des Problems bemüht.

Der WWF erklärte, bei einem langanhaltenden Gasaustritt könnten „Todeszonen“ in der Umgebung entstehen und das Ökosystem der Nordsee schädigen. Verschiedene Umweltorganisationen forderten ein Moratorium für Bohrungen in großer Tiefe sowie strengere Auflagen und höhere Sicherheitsvorkehrungen für die Betreiber von Öl- und Gasplattformen.

 

Quellen: Greenpeace e.V., deepwave e.V.