Schweinswale vor Sylt- Zahlen nehmen dramatisch ab.

Die Tierärztliche Hochschule in Hannover hat in einer wissenschaftlichen Studie jetzt veröffentlicht, dass die Zahl der Schweinswale westlich von Sylt und Amrum seit 2006  kontinuierlich abnimmt. Im Vergleich zu anderen untersuchten Gebieten in der südlichen Nordsee sei gerade hier der Rückgang mit 3,8% im Jahr besonders stark.

Zeichnung Martin Camm

Das ist besonders erschreckend, da 1999 vor Sylt das Walschutzgebiet im Nationalpark Wattenmeer eingerichtet wurde. 2004 folgten weitere Schutzgebiete westlich der Landesgrenze (12 Semeilengrenze) in Bundesgewässern. Dort liegt auch das FFH-Schutzgebiet “Sylter Aussenriff“ und ein FFH-Vogelschutzgebiet. Auf diese Schutzgebiete beziehen sich die Ergebnisse der Studie.

In ihrer Zusammenfassung kommen die Wissenschaftler, die sich seit Jahrzehnten mit den Meeressäuger-Beständen der Nordsee befassen, zu dem Schluss, dass: „Die zu Grunde liegenden Ursachen für die beobachteten Trends sind unbekannt und wahrscheinlich auf die kumulativen Auswirkungen zahlreicher Stressfaktoren zurückzuführen, für die wir größtenteils keine ausreichenden Daten haben. Wenn die Trends von anthropogenen Stressoren getrieben wurden, sollten diese schnell identifiziert werden und  geeignete Managementmaßnahmen entwickelt und umgesetzt werden.“

Begibt man sich jedoch tiefer in die Studie, wird es deutlicher: Dort heisst es: „geeignete Maßnahmen zur Reduzierung der Fischereitätigkeiten im Schutzgebiet Sylter Aussenriff sind erforderlich und sollten bald umgesetzt werden, um Schweinswale und andere empfindliche Meeresbiota zu schützen.“

Im weiteren Verlauf der Studie präzisieren die Wissenschaftler:
Fischerei und Offshore industrie snd mögliche Verursacher

Die Nordsee ist durch eine Vielzahl menschlicher Ausbeutungen gekennzeichnet, die Schweinswale auf verschiedenen Ebenen betreffen. Obwohl die Managementpläne für die FFH Gebiete vor Sylt  seit Mai 2020 vorliegen, wird die Fischerei in den Gebieten noch nicht naturverträglich  geregelt. Es besteht ein hoher Fischereidruck von mobilen Bodenkontaktgeräten, z. Balken- und Otterschleppnetze, die sich negativ auf die empfindlichen Riffgemeinschaften auswirken können. 

Eine der Hauptzielarten im  Gebiet „Sylter Aussenriff“ sind Sandaale, die einen allgemein wichtigen Bestandteil der Schweinswalnahrung darstellen. Die Sandaalbiomasse in diesem Schutzgebiet   lag jedoch seit 2004 aufgrund des hohen Fischereidrucks wiederholt unter dem Referenzwert gemäß dem Vorsorgeansatz . 

In diesem Zusammenhang könnten die geschätzten negativen Trends der Schweinswale im Kerngebiet Sylter Aussenriff  ein Indikator für die Verschlechterung des  Lebensraums sein und auf einen Konflikt -Wettbewerb mit der Fischerei deuten, der für eine Art wie den Schweinswal besonders relevant ist, die Tag und Nacht von einer kontinuierlichen Nahrungsaufnahme abhängig ist.

Darüber hinaus wurden seit 2013 mehrere Windparks  in der Nähe des Schutzgebietes Sylter Aussenriff gebaut. In 2014 wurde der Windpark „Butendiek“ sogar innerhalb des Schutzgebietes erstellt. Während der Bauphase wurde für diese und andere Windparks in der Nordsee eine großflächige Störung von Schweinswalen gemeldet. Der Bau in der Nähe und innerhalb des Schutzgebietes erfolgte während der Haupt-Kalbungs-und Aufzuchtsaison von Schweinswalen im Juni und Juli.

Es wurde vorausgesagt, dass ein nahezu kontinuierlicher Bau von Windparks über mehrere Jahre in der Nähe wichtiger Kernbereiche von Schweinswalen, die sie z.B.für Nahrungssuche benötigen,  zu einem hohen Grad an Störung und einem erheblichen Bevölkerungsrückgang führen würde. Das vorhergesagte Szenario ist vergleichbar mit der Situation Schutzgebiet Sylter Aussenriff. Obwohl der Rückgang der Schweinswalhäufigkeit bereits vor dem Bau der ersten Windparks begonnen hatte, fügte der Bau der Offshore Anlagen der bereits bestehenden Liste der auf die Schweinswalpopulaion einwirkenden Stressfaktoren eine weitere Störung hinzu und könnte daher ein zusätzlicher Störfaktor für den Rückgang sein.

Obwohl das direkt an Sylt undAmrum grenzende Walschutzgebiet im Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer in der Studie nicht erwähnt wird, bildet es mit dem Schutzgebiet Sylter Aussenriff, das weiter westlich liegt doch eine ökologische Einheit. Inzwischen sind die Schweinswale vor Sylt ein nicht mehr weg zu denkendes Phänomen für Insulaner und Urlauber und  von hohem Wert für das Erleben von Wildnis und Wildtierarten. Damit ein wichtiger, wirtschaftlicher Faktor in Hinblick auf einen nachhaltigen Resonanztourismus, wie er neuerdings von der Sylt Marketing Agentur angestrebt wird. Sylt sollte auch deshalb mit Engagement darauf hinwirken, dass Massnahmen ergriffen werden, die die Ursachen stoppende den  Rückgang der  Schweinswale vor unserer Haustür stoppen.

Lothar Koch